Die AfD wählt auf ihrem Parteitag einen neuen Vorstand. Chancen auf die Spitze haben Tino Chrupalla und Alice Weidel. Rechtsaußen Höcke könnte einen wichtigen Posten bekommen.
Auf dem dreitägigen Bundesparteitag im sächsischen Riesa wird ein neuer Bundesvorstand gewählt. In Bundes- und Landtagswahlen erzielte die Partei zuletzt herbe Verluste.
Die AfD hat auf ihrem Parteitag im sächsischen Riesa viel vor: Die 600 Delegierten wählen eine neue Parteispitze, nachdem Jörg Meuthen im Januar hingeschmissen hat. Und sie müssen über zwei Männer vom ganz rechten Rand entscheiden: Zum einen könnte für den Rechtsaußen Björn Höcke ein neuer Posten geschaffen werden. Zum anderen soll das Auftrittsverbot für den ausgeschlossenen Andreas Kalbitz gekippt werden.
Neue AfD-Spitze: Wer steht zur Wahl?
Bei sommerlichen 34 Grad will die AfD einen neuen Bundesvorstand wählen. Der Sachse Tino Chrupalla, bislang Co-Sprecher neben dem ausgetretenen Jörg Meuthen, tritt an - vermutlich zusammen mit Alice Weidel, der Fraktionsvorsitzenden im Bundestag.
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Die AfD kommt zu ihrem 13. Bundesparteitag zusammen. Mittelpunkt des Parteitages nach dem Parteiaustritt von Co-Parteichef Meuthen in Riesa: Die Wahl eines neues Bundesvorstandes.
Zwar hat sich Weidel selbst nicht zu einer Kandidatur geäußert, ihr Umfeld deutet das aber an. Zudem verdichten sich weitere Zeichen dafür: Weidel will ihren Landesvorsitz in Baden-Württemberg abgeben und könnte so eine in der AfD verpönte Amterhäufung vermeiden.
Und: Alexander Gauland, ehemaliger Parteichef und als Ehrenpräsident noch immer eine Instanz, sprach sich jüngst gegenüber der dpa für das Tandem Weidel/Chrupalla aus. Sollte es bei einer Doppelspitze bleiben, sind die beiden das wahrscheinlichste neue Führungsduo der AfD.
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Seit Jörg Meuthen entnervt hinschmiss, führt Tino Chrupalla die AfD alleine - und wenig erfolgreich. Welche Gegenkandidaten wollen ihn auf dem Parteitag herausfordern?
Auch Kleinwächter und Fest treten an
Zum anderen haben auch der stellvertretende Chef der Bundestagsfraktion, Norbert Kleinwächter, und der Europapolitiker Nicolaus Fest ihren Hut in den Ring geworfen. Fest hatte den verstorbenen EU-Parlamentspräsidenten David Sassoli nach dessen Tod verunglimpft. In einem internen Chat, der ZDFheute vorliegt, schrieb er: "Endlich ist dieses Drecksschwein weg!".
Kleinwächter bezeichnet sich selbst als gemäßigt, in einem Dokumentarfilm sieht man aber, wie er rassistische Kommentare zumindest toleriert. Er dürfte ohnehin kaum eine Chance haben.
Björn Höcke sei "gewähltes Mitglied" und "das akzeptiere und respektiere ich auch", sagt der AfD-Parteivorsitzende Tino Chrupalla vor dem Bundesparteitag.
Chrupallas Bilanz: Zehn Wahlen mit Verlusten
Chrupalla war von seinen politischen Gegnern in letzter Zeit scharf kritisiert worden, denn seine Bilanz ist eher mau: Bei den letzten zehn Wahlen erlebte die AfD Stimmverluste, in Schleswig-Holstein flog sie gar aus dem Landtag. Hinzu kommen sinkende Mitgliederzahlen.
Große Hoffnungen hatte man deshalb in den ersten Wahlgang der Kommunalwahlen in Sachsen vergangenes Wochenende gesetzt: Endlich war da die Chance, an die Macht zu kommen, Landräte zu stellen. Doch auch dies gelang nicht.
Die einstige Meuthen-Anhängerin Joanna Cotar opponiert selbst für AfD-Verhältnisse bemerkenswert offen gegen Chrupalla. Inzwischen machen Gerüchte über ihren Parteiaustritt die Runde, sollten sie und andere Chrupalla-Gegner sich nicht durchsetzen.
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Der ehemalige AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen ist der christlichen Deutschen Zentrumspartei beigetreten. Früher fiel die mit radikalen Anti-Abtreibungskampagnen auf. Was will er dort?
Was passiert mit Björn Höcke?
Auch der Thüringer Landesvorsitzende und Rechtsaußen Björn Höcke hatte mit einer Kandidatur für den Bundesvorstand geliebäugelt. Höcke könnte aber in Wahrheit ein anderes Ziel verfolgen. Von ihm und anderen stammt ein Antrag, der eine Parteistrukturreform fordert - dafür solle ein neuer Posten geschaffen werden. Höcke wäre damit viel enger als bislang am Bundesvorstand dran. Seinen Einfluss in der Partei dürfte das stärken.
Zudem soll sich dieser neu zu schaffende Posten der Nachwuchsförderung widmen. Auch das würde gut zu Höcke, einem ehemaligen Lehrer, passen, der bei der Parteijugend regelrecht gehyped wird.
Wieder Auftritte bei der AfD von Andreas Kalbitz?
Ein weiterer Antrag sieht vor, Andreas Kalbitz wieder Auftritte zu erlauben. Kalbitz' Parteimitgliedschaft wurde vor zwei Jahren annulliert, weil er bei Eintritt Teile seiner politischen Vergangenheit verschwiegen haben soll. Auch er wird vom Bundesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch geführt.
Sollte das 2021 vom AfD-Bundesvorstand verhängte Verbot gemeinsamer Auftritte mit ihm nun in Riesa gekippt werden, wäre auch das ein innerparteiliches Zeichen an die radikaleren Kräfte.
In Chat-Gruppen kursieren seit Tagen Listen mit möglichen Kandidatinnen und Kandidaten. Die Satzung erlaubt aber auch spontane Kandidaturen - was lange vorher geplant wurde, muss also vor Ort nicht gelten.
AfD und der Verfassungsschutz: Nächste Runde vor Gericht
Über dem Treffen in Riesa schwebt eines der größten Probleme der Partei: der Verfassungsschutz. Es ist der erste Parteitag, an dem der Geheimdienst die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall führen darf.
Die Partei hat gegen die Gerichtsentscheidung zwar Beschwerde eingelegt und der Rechtsstreit geht auch bald in die nächste Instanz. An der Partei, in der viele Beamte sind, klebt aber der Makel, dass der Verfassungsschutz ganz genau hinsieht und auch V-Leute einsetzen oder Telefonate abhören darf.
"Die größte Gefahr für die innere Sicherheit ist nach wie vor der Rechtsextremismus", so Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesverfassungsschutz. Neu sei die "Kategorie der Staatsdelegitimierer".
Das allerdings sei gar nicht unbedingt notwendig, sagte kürzlich der Präsident des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang: "Die Partei macht es uns sehr leicht."
Auch öffentlich vernehmbare Äußerungen in Interviews oder auch in sozialen Medien bestätigten seine Behörde in ihrem Verdacht, so Haldenwang. Man werde auch auf diesen Parteitag sehr genau schauen.
- Verfassungsschutz darf AfD beobachten
Der Verfassungsschutz darf die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen. Damit kann die Partei als Ganzes beobachtet werden. Das könnte fatal für die AfD sein.