Die AfD befindet sich mitten im Rechtsstreit mit dem Verfassungsschutz. Doch statt sich zusammenzuraufen, ist die Spitze zerstritten. Es geht um Personalien vor der Bundestagswahl.
Auf den ersten Blick scheint die AfD gegen ihre drohende Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz geeint: Die Partei legte jüngst beim Oberverwaltungsgericht Münster Beschwerde gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln von Ende Januar ein. Es geht dabei um die Einstufung der AfD als "Verdachtsfall" - als solcher dürfte sie abgehört und observiert werden, auch könnten V-Leute angeworben werden. Die Vorinstanz hatte einen Antrag auf eine Zwischenregelung im Sinne der AfD abgelehnt.
Doch auf den zweiten Blick zeigt sich, wie zerstritten die Partei intern bei der Frage ist, wie eine mögliche Beobachtung durch den Inlandsgeheimdienst abgewendet werden kann. Zwei konträre Ansätze stehen sich gegenüber:
- Der Meuthen-Ansatz ist es, besonders extreme Vertreterinnen in der Partei zurückdrängen, Mäßigung gilt als neue Strategie und Selbstverpflichtung.
- Der Gauland-Ansatz dagegen setzt voll auf die Opfer-Rolle, eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz sei politisch gewollt und lasse sich sowieso nicht mehr abwenden. Die radikalen Vertreter zurückdrängen hieße, den Markenkern der AfD zu zerstören.
Gauland, gestützt von Alice Weidel und Tino Chrupalla, bleibt also der Doktrin der offenen Grenzen zum Rechtsextremismus verhaftet, die auch Meuthen einst über Jahre mitgetragen hatte.
Die AfD unter Beobachtung des Verfassungsschutzes: Droht der Partei die Spaltung?
Parteitag in Sachsen: Sichere Listenplätze für Rechtsaußen
Am Wochenende setzte sich der Gauland-Ansatz wieder durch. In Sachsen schafften es ein Kandidat, der schon einmal mit Hand auf dem Herzen vor Hitlers "Wolfsschanze" posiert hatte, ein Kandidat, der laut Gerichtsentscheid "lupenreiner Neonazi" genannt werden darf, und ein Kandidat, der vom Verfassungsschutz als "Rechtsextremist" geführt wird, auf die sicheren Listenplätze für den Bundestag.
Letzterer, Jens Maier, war unter anderem bekannt geworden, weil er die Aufarbeitung des Nationalsozialismus als "Schuldkult" bezeichnet hatte. Nach seiner Wahl sagte er:
Weidel hat kein Problem mit radikaler Landesliste
Ob sie sich über die Wahl dieser Kandidaten freue, wird Alice Weidel diese Woche auf einer Pressekonferenz gefragt: "Ja, warum denn nicht?!" Die sächsische Landesgruppe sei gut aufgestellt. Fraktionschefin Weidel hatte sich früher noch als "Gemäßigte" innerhalb der AfD inszenierte, doch diese Maske fiel schon vor der Corona-Pandemie.
Für Meuthen dagegen ist die extreme Wahl der sächsischen Parteifreunde ein Rückschlag. ZDFheute sagte er:
Am Dienstag wurde bekannt, dass der Verfassungsschutz die Sachsen-AfD als "Verdachtsfall" einstuft, wegen rechtsextremistischer Bestrebungen. Das hat die Stoßrichtung des Landesparteitags der AfD an diesem Wochenende in Dresden deutlich verändert.
Ex-Mitglied Kalbitz könnte für Bundestag kandidieren
Und noch eine andere Frage spaltet die Lager und Gemüter innerhalb der AfD: Eine mögliche Kalbitz-Kandidatur für den Bundestag. Es sei zunehmend wahrscheinlich, heißt es in der Parteispitze, dass der wegen seiner Neo-Nazi-Vergangenheit rausgeworfene Kalbitz versuche, in Brandenburg für den Bundestag zu kandidieren.
Co-Fraktionschef Gauland dazu: "Das müssten die Kollegen vor Ort entscheiden." Auf einem Treffen der Kreisvorsitzenden sei beschlossen worden, das könne die Basis in den Kreisverbänden selbstständig entscheiden und daran halte er sich. Eine persönliche Meinung zur Kalbitz-Kandidatur werde er nicht äußern. Ebenso Alice Weidel. Übersetzt heißt das Ackselzucken: Wir hätten da nichts dagegen.
Im Meuthen-Lager ist man entsetzt über die de-facto Rückendeckung für eine mögliche Kalbitz-Kandidatur.
"Die Ordnung der Partei gilt für alle in der Partei", sagte Beatrix von Storch gegenüber ZDFheute.
Bundesvorstand droht Brandenburg mit Ordnungsmaßnahmen
Der Bundesvorstand reagierte indes in der Causa Kalbitz, der trotz Rauswurf als Redner bei brandenburgischen AfD-Veranstaltungen auftrat. In einem Brief an den Landesvorstand Brandenburg heißt es:
"Der Landesverband Brandenburg und die Untergliederungen, die Herrn Kalbitz als Redner geladen und haben auftreten lassen, haben damit dem öffentlichen Ansehen der AfD erheblich geschadet und gegen die Grundsätze und Ordnung der Partei verstoßen." Sollte das noch einmal geschehen, droht der Bundesvorstand mit Ordnungsmaßnahmen.*
Die AfD stellt sich für den nächsten Bundestag auf. Schon jetzt zeichnet sich ab: Die verfeindeten Lager werden auch in der nächsten Fraktion wieder aufeinaderprallen.
*Absätze zu angedrohten Ordnungsmaßnahmen am 11.02.2021 ergänzt.