Der Verfassungsschutz hat die AfD als Verdachtsfall eingestuft. Was dürfen die Nachrichtendienste nun? Und was bedeutet das für die Partei?
Schon seit 2019 hatte der Verfassungsschutz die AfD im Visier - zunächst als Prüffall. Nun hat die Behörde die Partei zum Verdachtsfall erklärt. Das ist möglich, wenn ein Verdacht auf verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegt, die Organisation also vermutlich extremistische Ziele verfolgt.
Behörde erklärt AfD zum Verdachtsfall
Um diesem Verdacht nachzugehen und die Organisation zu kontrollieren, dürfen die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Das bedeutet, der Verfassungsschutz darf heimlich Informationen beschaffen.
Dazu dürfen bestimmte Mittel eingesetzt werden, die gesetzlich geregelt sind. Dazu gehört die Observation oder das Verwenden von Tarn-Ausweisen und Tarn-Kfz-Kennzeichen. In bestimmten Fällen können auch V-Leute eingesetzt oder Telefonate abgehört und E-Mails mitgelesen werden.
Wenn es um Abgeordnete geht, bestehen dafür allerdings hohe Hürden. Denn hier greift der Staat in die freie Mandatsausübung ein, die vom Grundgesetz besonders geschützt wird. Die Behörden müssen im Einzelfall entscheiden, welche Maßnahmen verhältnismäßig sind - das letzte Wort dazu haben immer die Gerichte. Deshalb bedeutet die Einstufung der AfD als Verdachtsfall nicht automatisch, dass alle AfD-Politiker*innen vom Verfassungsschutz überwacht werden. Allerdings müssen alle AfD-Mitglieder prinzipiell damit rechnen, nun beobachtet zu werden.
Nächste Stufe: Beobachtungsfall
Sollte die AfD vom Verdachtsfall zum Beobachtungsfall hochgestuft werden, wären die Hürden der Überwachung nicht mehr ganz so hoch. Die Hochstufung wäre aber erst dann möglich, wenn sich der Verdacht der verfassungsfeindlichen Bestrebungen erhärtet hat.
Dies könnte für Parteimitglieder im öffentlichen Dienst zum Problem werden. Sie müssen sich per Eid verpflichten, das Grundgesetz zu schützen. Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hatte in der Vergangenheit gesagt, dass Mitglieder eines Beobachtungsobjekts wohl Probleme mit ihrer Dienststelle bekommen würden. Ähnlich hatten sich die Gewerkschaft der Polizei und der Beamtenbund positioniert.
Partei wehrt sich gegen Einstufung
Im Januar hatte die AfD mit mehreren Eilanträgen beim Verwaltungsgericht Köln versucht, die Einstufung als Verdachtsfall zu verhindern. Außerdem sollte dem Verfassungsschutz untersagt werden, eine Einstufung als Verdachtsfall öffentlich bekannt zu geben.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. "Wir werden uns mit allen rechtlichen Mitteln als demokratische Partei dagegen wehren", so der AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla.
Diese Anträge begründete die Partei vor allem mit der negativen Wirkung in einem Jahr mit Bundestags- und vielen Landtagswahlen; dies verstoße gegen die Chancengleichheit der Parteien, so die AfD. Ob sich eine nennenswerte Zahl von Wählerinnen und Wählern von der Einstufung als Verdachtsfall abschrecken lassen, werden erst die Wahlen zeigen.
AfD fürchtet negative Wirkung
Das Bundesamt für Verfassungsschutz sagte vor dem Verwaltungsgericht Köln zu, für die Dauer des Verfahrens eine mögliche Beobachtung nicht öffentlich zu machen. Außerdem verpflichtete sich die Behörde, in diesem Zeitraum auch keine Abgeordneten und Personen, die bei Wahlen kandidieren, auszuspähen.
Solange das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln läuft, müssen also alle Abgeordneten auf Landes-, Bundes- und Europaebene erst einmal keine Überwachung befürchten. Sobald das Gericht aber entschieden hat, könnte sich das ändern. Einfache Parteimitglieder können schon ab sofort überwacht werden.
Der Verfassungsschutz hat entschieden: Er stuft die AfD als Verdachtsfall ein. "Laut Gutachten verstößt die AfD gegen das Demokratieprinzip und die Menschenwürde", so ZDF-Korrespondentin Nicole Diekmann.
Die Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel und Alexander Gauland, erklärten mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen, es werde "gezielt versucht, mit Hilfe des Inlandgeheimdienstes die Wahlchancen der AfD zu schmälern". Der Verfassungsschutz teilte mit, man äußere sich in dieser Angelegenheit nicht öffentlich. Dazu hatte er sich ja aber auch vor dem Verwaltungsgericht Köln verpflichtet.
Die Autorin und der Autor arbeiten in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz. Dem Autor auf Twitter folgen: @christiandeker