Interne Schriftsätze zeigen, wie der Verfassungsschutz im Rechtsstreit gegen die AfD argumentiert. Für die Partei geht es ums Ganze: Sie könnte im März beobachtet werden.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat in zwei Schriftsätzen weitere Belege gegen die AfD sammeln lassen. Der Geheimdienst sieht sich damit im Rechtsstreit gewappnet, um die gesamte Partei als "Verdachtsfall" einstufen und damit beobachten zu können.
In zwei Gutachten, die ZDFheute vorliegen, geht es um
- völkisch-nationalistische, ausländerfeindliche und islamfeindliche Positionen in der AfD
- die Verunglimpfung des Staates und das Aufrufen zum Widerstand im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie
- völkische und rassistische Aussagen der Parteijugend
- den Einfluss des offiziell aufgelösten rechtsextremen "Flügels"
Zunächst hatte der NDR-WDR-SZ-Rechercheverbund darüber berichtet. Der Verfassungsschutz widerspricht darin der offenbar von der AfD vertretenen Ansicht, die Partei habe sich nicht weiter radikalisiert.
Die Gesamtpartei wird derzeit als Prüffall behandelt - öffentliche Inhalte darf das Amt damit sammeln und auswerten. Die "Junge Alternative" und der offiziell aufgelöste "Flügel" dürfen bereits nachrichtendienstlich beobachtet werden. Vor dem Verwaltungsgericht Köln streitet der Verfassungsschutz gerade unter anderem dafür, auch die Gesamtpartei beobachten zu dürfen.
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Wer gehört für die AfD zum deutschen Volk - und wer nicht?
In den Schriftsätzen führt eine vom Verfassungsschutz beauftragte Kanzlei den Bundestagsabgeordneten Thomas Seitz an, der auf Facebook schrieb: "Als Mitglied des Deutschen Bundestages bin ich der Vertreter des ganzen Volkes. (...) Integrierte Migranten - also keine Özils, die sich weiter als Türken sehen - gehören selbstverständlich auch dazu. Reine Passdeutsche formal auch - leider." Der Verfassungsschutz sieht dies als Beleg für ein völkisch-nationalistisches Volks-Verständnis.
Immer wieder wird auch die Verschwörungstheorie einer Umvolkung verbreitet, wonach das deutsche Volk nach und nach durch Migranten ersetzt werden solle. Auch islam- und muslimfeindliche Aussagen hat das Amt gesammelt. So schrieb der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Jan Oliver Zwerg über Migranten: "Messermänner! Merkel hat sie reingeholt".
Die Immunität des Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke war aufgehoben worden, nachdem er eine Rede mit "Alles für Deutschland" beendet hatte. Das war die Losung der SA im Dritten Reich gewesen - der Verfassungsschutz sieht das als Beleg für die Verunglimpfung des Staates.
Corona: Ungeimpfte mit verfolgten Juden verglichen
Auch die Aussagen der AfD in der Pandemie spielen eine Rolle. Mal schrieben Abgeordnete von einer "Corona-Diktatur", mal von "Impf-Rassismus". Der Bundestagsabgeordnete Karsten Hilse teilte einen Beitrag, der die Corona-Regeln mit der Judenverfolgung im NS-Reich vergleicht.
Der sachsen-anhaltinische MdL Hans-Thomas Tilschneider äußerte die Verschwörungstheorie: "Ich kann mir übrigens auch durchaus vorstellen, dass hinter der Corona-Politik eine Elite steht, die eine neue Weltordnung schaffen will!"
In einem internen Chat der AfD Bayern wurde gar geschrieben: "Ohne Umsturz und Revolution erreichen wir hier keinen Kurswechsel mehr." Der BR hatte darüber berichtet. Auch Gewaltfantasien gegen Angela Merkel wurden geäußert.
Jörg Meuthen hat angekündigt, nicht mehr als Parteivorsitzender der AfD zu kandidieren. Der 60-Jährige war parteiintern unter Druck geraten und stand in der AfD zunehmend isoliert da. Beobachter prognostizieren jetzt einen Rechtsruck der Partei.
Flügel: aufgelöst, aber weiter mächtig
Der besonders weit rechtsaußen stehende "Flügel" um Björn Höcke und Andreas Kalbitz ist zwar formal aufgelöst. Der Verfassungsschutz sieht aber viele Argumente, dass seine Anhänger ihre Meinung nicht geändert haben oder Flügel-Protagonisten nun nicht mehr unterstützten würden.
So ist der aus der Partei ausgeschlossene Andreas Kalbitz weiterhin parteiloses Mitglied in der Brandenburger AfD-Landtagsfraktion und trat im Bundestagswahlkampf bei mehreren Terminen auf.
Der Rückzug des Noch-Vorsitzenden Jörg Meuthen, der vorgeschlagen hatte, der Flügel möge sich abspalten und eine eigene Partei gründen, wird ebenfalls als Niederlage gegenüber den Radikaleren in der Partei bewertet.
Junge Alternative und das Thema Migration
Auch die Personalie Marvin Neumann, der nur zwei Wochen lang Vorsitzender der "Jungen Alternative" war, bevor ihn die Parteispitze zum Rückzug bewegte, erwähnt der Verfassungsschutz. Über die Parteijugend resümmiert das Bundesamt: "Die Junge Alternative (...) stellt Migration ausschließlich negativ konnotiert und undifferenziert in den Zusammenhang mit Terrorismus und Ausländerkriminalität" dar.
Das Bundesamt schrieb ZDFheute, "aufgrund des laufenden Verfahrens und aus Respekt vor dem Gericht" wolle man sich nicht äußern.