Bei einer diskreten Begegnung mit deutschen Diplomaten versprechen ranghohe Taliban, die afghanischen Ortskräfte zu schützen. Aber Berlin kann der Zusage nicht trauen.
Ranghohe Taliban haben bei vertraulichen Gesprächen mit einer Delegation des Auswärtigen Amtes Zusagen gegeben, frühere afghanische Ortskräfte der Deutschen zu schützen. Was sind derartige Zusagen wert – und soll man mit den Taliban verhandeln?
Eine hochrangige Delegation des Auswärtigen Amts hat sich vergangene Woche mit Vertretern der radikal-islamistischen Taliban getroffen. Das Gespräch fand nach ZDF-Informationen am 31. Juli in einem Luxushotel in Katars Hauptstadt Doha statt und endete mit einer überraschend deutlichen Zusage.
Die Führungsriege der Taliban versicherte förmlich, sich für den Schutz der afghanischen Ortskräfte einzusetzen. In Berlin lassen deutsche Diplomaten aber durchblicken, dass sie der Zusicherung keineswegs trauen.
Seit dem Frühjahr ziehen die internationalen Truppen aus Afghanistan ab, und es passiert genau das, was viele befürchtet haben: Die Taliban erobern Stück für Stück Gebiete zurück.
Afghanistan: Vertrauliches Treffen
Die Abordnung der Taliban wurde von Abdul Haq Wasiq angeführt, einem Ex-Guantanamo-Häftling, der sich als "Leiter der europäischen Sektion des Islamischen Emirats Afghanistan" bezeichnen lässt. An der Spitze der deutschen Delegation stand der neue Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, Jasper Wieck.
Aus dem Auswärtigen Amt wurde dem ZDF bestätigt, dass Wieck "mit Vertretern des Verhandlungsteams der Taliban zusammengetroffen" ist. Zuerst hatte die "Bild"-Zeitung über die Begegnung berichtet. Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, findet das vertrauliche Treffen "nicht falsch".
Nouripour: "Glaube den Taliban kein Wort"
Es gehöre grundsätzlich zur Diplomatie, auch mit schwierigen Akteuren zu sprechen. In den vergangenen Jahren habe sich aber gezeigt, dass die Zusagen der Taliban stets nicht belastbar gewesen seien. "Die Gespräche, die mit den Taliban geführt werden, können sinnvoll sein", sagt Nouripour, "aber ich glaube den Taliban kein Wort."
Aus Angst vor Gräueltaten, die die Taliban dort begehen, wo sie die Kontrolle übernehmen, treibt es immer mehr afghanische Familien in die Flucht: Sie suchen ein besseres Leben im Ausland – wollen über Iran nach Westeuropa kommen.
Hinter den Kulissen unterhält die Bundesregierung bereits seit Jahren Kontakte zu Vertretern der Taliban, meist wird über konkrete Treffen aber nichts bekannt. In Diplomatenkreisen gilt als bemerkenswert, dass die Doha-Vertretung der Taliban nach dem Meeting mit der Berliner Delegation eine Twitter-Botschaft veröffentlichte: "Das Islamische Emirat Afghanistan setzt sich für die Sicherheit und den Schutz von Entwicklungsprojekten und deren Mitarbeitern ein."
Tausende Ortskräfte in Gefahr
Die Zusicherung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem tausende Ortskräfte um ihr Leben fürchten und teils verzweifelt versuchen, das Land zu verlassen. "Es ist gut zu hören, dass sich die Taliban dazu bekennen", sagt der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig dem ZDF.
Er glaube durchaus, dass die Anführer der Taliban die Sicherheitsgarantie auch umsetzen wollen, bezweifle aber, dass sie es können: "Die Taliban sind nicht in der Lage, all ihre Leute wirklich bis ins letzte zu kontrollieren." Der Gesprächspartner der deutschen Diplomaten, Abdul Haq Wasiq, gehört zu den besonders berüchtigten Taliban.
In etwa einem Monat soll die Bundeswehr aus Afghanistan abgezogen werden, zurück bleiben einheimische Helfer. Die Ortskräfte müssen Racheakte der Taliban fürchten.
Taliban-Vertretung in Doha
Zwölf Jahre lang war der Fundamentalist im Gefangenenlager Guantanamo interniert, als Häftling mit der Seriennummer vier. Im Austausch gegen einen US-Soldaten wurde Wasiq 2014 freigelassen – zusammen mit vier weiteren Taliban-Anführern und der Auflage, sich mindestens ein Jahr lang im Emirat Katar aufzuhalten.
In Doha durften die Taliban eine offizielle Vertretung gründen, 2020 begannen dort die Friedensgespräche mit der afghanischen Regierung. Die wenigen Taliban-Führer, die aus Gefängnissen in Guantanamo oder Pakistan entlassen wurden, gehören für Afghanistan-Experte Ruttig zu den Schlüsselfiguren des Konflikts.
Gespräche mit Taliban sinnvoll?
"Sie haben überlebt und sind bei ihren Positionen geblieben. Deswegen haben sie großen Einfluss", erklärt Ruttig. Dass die Bundesregierung auch mit solchen Personen redet, findet er richtig.
Ohnehin werden nach seiner Beobachtung deutsche Gesprächspartner von allen Konfliktparteien mit Achtung behandelt, inklusive der Taliban: "Die Deutschen haben in Afghanistan immer noch ein gutes Standing - trotz des Bundeswehreinsatzes."
- Kabul: "Ruhige, aber angespannte Lage"
"Afghanen suchen nach allen möglichen Optionen das Land zu verlassen", so Ellinor Zeino vom Auslandsbüro Afghanistan der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Situation in Afghanistan.