Die Bundeswehr bleibt in Afghanistan: Der Bundestag verlängerte am Abend das Mandat. Die Taliban drohen jetzt mit einem "großen Krieg".
Es ist fast 20 Jahre her, dass die ersten deutschen Soldat*innen am Hindukusch landeten, in einem Land, das bislang nur wenige Deutsche kannten. Im Rahmen der Nato und an der Seite der USA einen stabilen afghanischen Staat aufzubauen war das Ziel, dem sich die Bundesregierung zusammen mit 50 weiteren Staaten verpflichtete, nachdem die radikal-islamischen Taliban entmachtet waren. Ein Ziel, das heute mehr denn je in Frage steht.
Gescheiterte Verhandlungen
Dabei sollte 2021 das Jahr des Friedens und des Abzugs werden. So zumindest hatte es US-Präsident Donald Trump im Februar vergangenen Jahres mit Vertretern der radikalislamischen Taliban vereinbart. Ein fataler Fehler, dass die USA ohne die Einbeziehung der gewählten afghanischen Regierung ein Abkommen über die Zukunft trafen: Die Aufständischen sollten Verhandlungen mit der Regierung beginnen, im Gegenzug sicherte Trump zu, seine Soldaten bis 30. April 2021 abzuziehen.
Die Verhandlungen zwischen Taliban und Regierungsvertretern stocken. Und Afghanistan erlebt seit Monaten eine Welle des Terrors, mit blutigen Anschlägen auf Zivilisten, Militär und Polizei. In einem Strategiepapier, das die "Afghanistan Study Group" im Auftrag des US-Kongresses verfasst hat, warnen Experten vor einem vorschnellen Abzug:
Das größte Feldlager der Bundeswehr im Ausland
Noch steht die Entscheidung aus, ob die USA und die Nato ihren Einsatz am Hindukusch verlängern werden, noch sind knapp 10.000 ausländische Soldat*innen im Land. Deutschland stellt mit 1.100 Frauen und Männern das zweitgrößte Kontingent und ist seit 2015 im Norden Afghanistans die federführende Nation für die Mission "Resolute Support", bei der die Verbündeten Afghanistans Sicherheitskräfte vor allem bei der Ausbildung und Strategie beraten.
An Kampfeinsätzen ist die Bundeswehr seit 2014 nicht mehr beteiligt. Doch das Sicherheitsrisiko steigt, denn die Taliban drohen nicht nur den USA, sondern allen ausländischen Truppen mit Krieg, sollten sie nicht bis Ende April abziehen.
Feldlager als Hochsicherheitstrakt
Camp Marmal am Stadtrand von Mazar i Sharif ist heute das größte Feldlager der Bundeswehr im Ausland. Es ist ein Hochsicherheitstrakt, mit der afghanischen Bevölkerung kommen die in deutschen Soldat*innen nicht im Berührung. Die Gefahr von Terroranschlägen ist stetig gewachsen, nun ist auch die Corona-Pandemie zu einem zusätzlichen Risiko geworden.
Dass die Bedrohungslage mit der Verlängerung des Mandats weiter wachsen wird, darauf stellt sich die Regierung in Berlin ein. Notfalls kann die Truppenstärke auf 1.300 SoldatInnen erhöht werden - das ist die zulässige Obergrenze.
Ohne die USA kann auch die Bundeswehr nicht bleiben
Ob die Mission Afghanistan im Januar 2022 endet - eine endgültige Entscheidung ist darüber nicht gefallen. Die Strategie für die Zukunft wird maßgeblich in Washington getroffen. Ohne die USA wird keine der verbündeten Armeen im Land bleiben wollen und können.
Vor allem die Regierung von Präsident Ghani macht Druck, warnt vor einem möglichen Bürgerkrieg, bei dem die Taliban an die Macht zurückkehren könnten. Auch Menschenrechtler und afghanische Frauen warnen davor, dass alles, was in den vergangenen 20 Jahren erreicht wurde, jetzt auf dem Spiel stehe.
Gleichzeitig wächst in der Bevölkerung der Wunsch, endlich Frieden zu finden, auch um den Preis einer Beteiligung der selbsternannten Gotteskrieger an der Macht. Dass diese keinen Kompromiss suchen, haben sie in den Verhandlungen klar gemacht. Der Abzug aller "Ausländer" und die Errichtung eines Islamischen Emirats ist ihr Ziel. Eine Herausforderung, der sich Deutschland in den nächsten Monaten weiter stellen muss.
- Hohes Risiko für einen gescheiterten Einsatz
Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan wird verlängert und birgt Risiken, dabei gilt das Engagement schon lange als gescheitert.