Die EU will mit viel Geld verhindern, dass es einen neuen Flüchtlingsstrom aus Afghanistan gibt. Heute treffen sich die EU-Innenminister - und schon vorher gibt es Zoff.
Während die Taliban in Afghanistan versuchen, ihre Macht zu festigen, bereitet sich die Europäische Union auf einen möglichen Flüchtlingsstrom vor. "Wir dürfen nicht warten, bis die Menschen an der EU-Außengrenze stehen", betonte EU-Kommissarin Ylva Johansson im Magazin "Der Spiegel".
Heute wollen die Innenminister*innen der 27 Mitgliedsstaaten bei einer Sondertagung in Brüssel über die Situation in Afghanistan beraten.
Eine Bewährungsprobe für die EU
Nach Schätzungen der EU-Kommission wurden in den vergangenen Jahren rund 3,5 Millionen Afghanen vertrieben - besonders Frauen und Kinder sind betroffen.
Obwohl bislang verlässliche Prognosen fehlen, will die EU einen Fehler auf keinen Fall wiederholen: zu lange abzuwarten. In den europäischen Hauptstädten erinnern sich Politiker*innen noch gut, welches Chaos die Flüchtlingskrise 2015 ausgelöst, wie der Streit um Flüchtlingsquoten und Aufnahmekontingente die Union fast zerrissen hat. Afghanistan ist eine Bewährungsprobe. Jetzt muss die EU beweisen, dass sie aus ihren Fehlern gelernt hat.
Afghanistans Nachbarstaaten sollen helfen
Um zu verhindern, dass sich Familien in ihrer Verzweiflung auf den Weg nach Europa machen, will die EU mit angrenzenden Staaten wie Pakistan, Iran, Turkmenistan und Tadschikistan zusammenarbeiten.
So hat die EU-Kommission angekündigt, die Mittel für humanitäre Hilfe auf mehr als 200 Millionen Euro zu vervierfachen. Die Entwicklungshilfe in Afghanistan wurden dagegen vorerst gestoppt und an klare Bedingungen geknüpft.
Menschenrechte, der Schutz von Frauen und ein Ende der Gewalt: Die EU werde die Taliban an ihren Taten messen, betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Afghanistan soll kein Hort für Terroristen werden
Die Innenminister*innen werden sich auch mit Fragen der Inneren Sicherheit - insbesondere der Gefahr islamistischer Anschläge - beschäftigen. Afghanistan dürfe nicht zu einem "sicheren Hafen für den internationalen Terrorismus“ werden, erklärte bereits NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Streit droht bei der Frage, wie viele bedrohte Afghaninnen und Afghanen über legale Programme zur Neuansiedlung ("Resettlement“) aufgenommen werden können. Die EU hat hier keine direkte Kompetenz und ist auf freiwillige Zusagen angewiesen. Bis zum 15. September sollen die Mitgliedsstaaten konkrete Angebote machen.
Österreich und Ungarn sträuben sich
EU-Kommissarin Johansson sprach zuletzt von insgesamt 30.000 Menschen, die über den EU-Resettlement-Plan Schutz erhalten sollen. Das Programm gilt jedoch für alle Flüchtlinge weltweit.
Wie viele Afghanen gerettet werden, hat sie bisher offengelassen. Am Ende braucht sie die Zusagen der Mitgliedsstaaten – und da gibt es bereits Widerstand: Österreich und Ungarn wollen keine Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen. Polen weist afghanische Migranten an der Grenze zu Belarus zurück.
Staaten uneins bei Abschlusserklärung
Entsprechend herrscht schon vor dem Treffen in Brüssel Uneinigkeit: Nach ZDF-Informationen wurde bereits am Montag heftig um die Formulierungen in der Abschlusserklärung gerungen. Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn sowie Österreich wollen verhindern, dass in der Erklärung genaue Zahlen zu Flüchtlingskontingenten genannt werden.
Seit 2015 streitet die EU über eine gemeinsame Migrationspolitik. Eine fairen Verteilmechanismus gibt es immer noch nicht. Im Herbst vergangenen Jahres präsentierte die EU-Kommission ein großes Reformpaket, seitdem stocken die Verhandlungen.
Auch in der Afghanistankrise fehlen der EU effektive Instrumente in der Migrationspolitik.