In kaum einem Land der Welt leben Frauen so gefährlich wie in Afghanistan. Doch obwohl sie um ihr Leben fürchten müssen, kämpfen immer mehr Afghaninnen für Gleichberechtigung.
Zarifa Ghafari war auf dem Heimweg, da schlugen die Kugeln ein. "Drei Männer sprangen von der Seite an mein Auto, versuchten es zu stoppen, wir haben nicht angehalten, da haben sie das Feuer eröffnet mit Maschinengewehren und Raketen." Die 29-Jährige hat großes Glück gehabt. Doch seitdem ist sie nur noch mit bewaffnetem Begleitschutz unterwegs.
Zarifa Ghafari hat viele Feinde, denn sie wagt es, gegen ein Rollenverständnis zu verstoßen, nachdem Frauen Männern untergeordnet sind. Als sie 2018 von der Regierung als Bürgermeisterin in Maidan Shahr eingesetzt wurde, einer Provinzmetropole die als extrem konservativ gilt, hinderten Männer sie daran, ihr Büro zu betreten. Morddrohungen, Pöbeleien, öffentlicher Spott - sie hat alles erlebt. Warum nimmt eine Frau das auf sich? Ghafari sagt:
Neue Welle von Gewalt gegen Frauen
Jedes Jahr zeichnet das US-Außenministerium die mutigsten Frauen weltweit aus, fast immer sind Afghaninnen unter den Preisträgerinnen. Eine besondere Würdigung erhielten in diesem Jahr sieben Afghaninnen, die getötet wurden. Sie waren Journalistinnen, Polizistinnen, Hebammen. Und sie sind Opfer einer neuen Welle von Gewalt gegen Frauen, die das Land in den letzten Monaten erlebt.
In den letzten Jahren sieht man vor allem in Kabul eine neue Generation selbstbewusster Frauen. Sie wollen alles dafür tun, dass die Taliban nicht zurückkommen.
Obwohl die Gefahr wächst, scheint vor allem die junge Generation nicht mehr bereit, sich einschüchtern zu lassen. "Die afghanischen Frauen haben sich stark verändert, sie können uns nicht mehr zwingen, zuhause zu bleiben", sagt Afefa Rahimi, eine 17-jährige Schülerin. Ihre Klassenkameradin Zara Arshadi fügt hinzu:
Woher nehmen sie den Mut, warum schrecken nicht einmal Morddrohungen? In Gesprächen mit Afghaninnen habe ich mir schon oft die Frage gestellt und immer wieder einen starken Willen gespürt, aus einer Situation auszubrechen, die unerträglich geworden ist. Und die Überzeugung, dass das traditionelle Frauenbild falsch ist.
-
Hoffnungsträgerinnen für ein neues Afghanistan
Sadaf Rahimi, eine junge Kabuler Boxerin, hat weltweit Aufmerksamkeit erregt, weil sie zeigt, dass afghanische Mädchen kämpfen können:
Zarifa Ghafari und Sadaf Rahimi, die international zu Hoffnungsträgerinnen für ein neues Afghanistan geworden sind, sind Hoffnungsträgerinnen für alle Frauen. Gegen Traditionen einzutreten, auch wenn diese Mehrheitsmeinung ist, alleine auf verlorenem Posten zu stehen, auch dem Risiko, Spott, Anfeindungen oder Drohungen ausgesetzt zu sein - nur so gerät etwas in Bewegung. "Ohne meinen Vater", so Rahimi, "hätte ich diesen Weg nicht gehen können."
Hinter jeder erfolgreichen Frau steht in Afghanistan ein Onkel, Vater, Bruder oder Mann, sagen viele Afghaninnen. Vielleicht eine weitere Erfahrung, von der wir lernen können: Der Weg zu Gleichberechtigung ist ein Kampf gegen Machtverhältnisse, nicht gegen Männer.
Frauen in Afghanistan leben in ständiger Angst vor Anschlägen der Taliban. Eine Geschäftsfrau in Kabul erzählt aus ihrem Alltag: