13 Millionen sind in Afghanistan von Hunger bedroht. Corona und die schlechte Sicherheitslage haben die Lage im zweitärmsten Land der Welt verschärft.
Es geht in diesen Wochen um Afghanistans Zukunft, da sind sich viele Hilfsorganisationen und auch Sicherheitsexperten einig. Nach 20 Jahren internationalem Engagement am Hindukusch, in dem das Ziel vor allem war, das Land zu demokratisieren und wirtschaftlich zu stabilisieren, verschlechtert sich die Situation dramatisch.
Wachsende Armut, wachsender Terror - 2020 droht ein Wendepunkt in der Geschichte Afghanistans zu werden. Erst am Samstag waren bei einem Anschlag in Kabul acht Menschen getötet worden, der Islamische Staat hatte sich zu der Tat bekannt. Angst vor Anschlägen, aber auch die Verbreitung des Coronavirus lähmen vor allem die Wirtschaft.
Bei heftigen Explosionen in Kabul wurden mindestens acht Menschen getötet. Trotz Friedensgesprächen zwischen Taliban und Regierung kommt es in Afghanistan häufig zu Anschlägen.
Rasant steigende Preise und Infektionszahlen
Zudem kontrollieren die radikal-islamischen Taliban immer mehr Landesteile, die Regierung in Kabul ist schwach, Korruption und Vetternwirtschaft erschweren politische Entscheidungen. Die Zahl der Menschen, die sich nach Angaben der Welthungerhilfe nicht mehr ausreichend mit Lebensmitteln versorgen können, wird von derzeit elf Millionen auf 13 Millionen wachsen, auch weil die Preise für Essen rasant angestiegen sind.
Wegen Covid-19 haben viele Tagelöhner und Kleinhändler ihre Jobs verloren. Offizielle Statistiken gibt es nicht, doch nach Schätzungen des Gesundheitsministeriums könnten sich seit Ausbruch der Pandemie mehr als zehn Millionen Afghanen angesteckt haben, fast ein Drittel der Bevölkerung. Doch Abstand halten oder Quarantäne zuhause ist für viele Menschen keine Option.
Verlorene Ernten nach Überschwemmungen und Dürren
Nach einer Umfrage der Kinderhilfsorganisation World Vision unter afghanischen Familien gab die Hälfte der Eltern an, ihre Kinder aufgrund wachsender Not arbeiten zu schicken. In den bevorstehenden Wintermonaten droht sich die Lage nach Einschätzung von Entwicklungsexperten zu verschlimmern.
Die Afghanistan-Referentin des katholischen Hilfswerks Misereor, Anna Dirksmeier, fasst die Lage so zusammen:
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Überschwemmungen in Afghanistan
Sturzfluten haben in der afghanischen Provinz Parwan eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Das Ausmaß der Katastrophe ist noch immer nicht ganz klar.
Friedensverhandlungen für Afghanistan stocken
Die Hoffnung vieler Afghanen richtet sich nun nach Genf, wo am Montag auf Initiative der UN, Afghanistans und Finnlands 70 Staaten zu einer zweitägigen Geberkonferenz zusammenkommen, um weitere Hilfen für das Land am Hindukusch zu beschließen. Die Konferenz, die in Genf weitgehend virtuell abgehalten wird, hat außerdem das Ziel, eine politische Erklärung zu verabschieden.
Es scheint, als stehe Afghanistan am Scheideweg: Die seit September andauernden Friedensverhandlungen in Doha, bei der Vertreter der afghanischen Regierung und der Zivilgesellschaft mit den Taliban gemeinsam über die Zukunft des Landes beraten, stocken. Die auf Initiative des amerikanischen Präsidenten Donald Trump gestarteten Gespräche könnten die Regierung von Ashraf Ghani sogar weiter schwächen. Die Taliban wollen eine islamische Republik - Ghani einen souveränen demokratischen Staat.
US-Truppenabzug schwächt die Regierung
Amerika will nach Ankündigung von Trump seine Truppen bis Januar von 5.000 auf 2.500 reduzieren und sich dann endgültig zurückziehen. Damit verliert die afghanische Regierung ihren wichtigsten Rückhalt, das schwächt auch ihre Position in den Friedensverhandlungen.
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USA senken Truppenstärke auf 2.500 Soldaten
US-Präsident Trump senkt die Truppenstärke in Afghanistan bis zum 15. Januar von rund 4.500 Soldaten auf 2.500 Soldaten. Führende Mitglieder seiner Partei kritisieren den Plan.
Die Genfer Geberkonferenz könnte hoffnungsvolle Signale aussenden. Doch Afghanistan braucht neben Entwicklungshilfe auch Sicherheit. Sollten die USA in der aktuellen Lage ihre Truppen abziehen, könnte das Land in alte Verhältnisse zurückfallen - es steht viel auf dem Spiel.