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Im Visier der Taliban : Helfer afghanischer Ortskräfte werden bedroht

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Bis zum Fall Kabuls harrten rund 400 afghanische Ortskräfte in Verstecken aus. Jetzt verfolgen die Taliban die Afghanen, die ihnen damals halfen.

Afghanistan Safe House
In den Safe Houses kamen Ortskräfte unter, die sich vor den Taliban versteckten.
Quelle: Hakim M.

Der Bauunternehmer Hajiqudus M., seine Frau und die sieben Kinder räumten im Juni 2021 ihr Haus in Kabul, um gefährdeten Personen Unterschlupf zu gewähren. Die weitläufige Unternehmerfamilie, bestehend aus über 70 Personen, stellte fünf große Wohnhäuser für rund 400 Schutzbedürftige zur Verfügung.

Das von Ex-Bundeswehrsoldat Marcus Grotian geleitete "Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte" hatte die Verstecke, so genannte "Safe Houses" organisiert. Die ehemalige Bundeswehr-Beschäftigten warteten dort wochenlang auf eine Ausreise nach Deutschland. Die meisten von ihnen waren aus dem Norden Afghanistans geflohen, nachdem die Taliban ihre Provinzen erobert hatten.

Safe Houses in Kabul wurden zu Todesfallen

Als die Taliban am 16. August 2021 Kabul einnahmen, machten sie sich unverzüglich auf die Suche nach den ehemaligen Ortskräften. "Ich habe die Safe Houses aufgelöst, die nur noch Todesfallen sind", schrieb Grotian damals auf Facebook. "Ich habe 400 Menschen mitgeteilt, dass es für sie keine Hoffnung mehr gibt", sagte er in der ZDF-Sendung Frontal.

Ehemalige Ortskräfte in Afghanistan müssen sich nun vor den Taliban verstecken.

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14 min
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Auch Samin Jabari war damals in einem Haus der Familie M.. Zuvor war er im Medienzentrum am Bundeswehr-Standort Masar-i-Scharif tätig und nach der Einnahme Masars durch die Taliban mit seiner Familie nach Kabul geflohen.

Keine Hilfe von deutschen Behörden

Doch die deutschen Behörden halfen ihnen schon vor der Eroberung Kabuls nicht: "Sie haben uns gesagt, dass wir in dem Safe House sein sollen, damit sie die Visa vorbereiten können. Wir waren fast einen Monat dort, haben aber keine Antwort von den Deutschen bekommen."

Nach Erhalt der Papiere versuchte er erfolglos, am Flughafen von Kabul zu den Flugzeugen der Luftbrücke durchzudringen. Ein Bundeswehrsoldat habe seine Papiere nicht akzeptiert.

Nach Auflösung der Safe Houses versteckten sich die ehemaligen Ortskräfte an anderen Orten. Einem Teil von ihnen gelang die Flucht aus Afghanistan. Jabari und seine Familie schlugen sich wochenlang auf eigene Faust nach Pakistan durch und leben heute in Deutschland.

Safe-House-Betreiber nun selbst in Gefahr

Ihre Gastfreundschaft brachte die Familie M. nun selber in Gefahr. Die Familienmitglieder leben heute in Verstecken bei Freunden und Verwandten. Hajiqudus M. wurde kurz nach Schließung der Safe Houses von Nachbarn an die Taliban verraten und einen Tag lang in einer Polizeiwache festgehalten.

Sie fragten ihn, ob er Menschen untergebracht habe, die für die Ausländer gearbeitet hätten. M. behauptete, er habe nicht gewusst, dass seine Gäste Ortskräfte waren und habe sie weggeschickt. Nur weil ein einflussreicher Mann für ihn bürgte, wurde er freigelassen. Nun fürchtet die Familie, dass weitere Mitglieder verraten werden.

Hakim M., einer von Hajiqudus‘ Brüdern, sitzt jetzt mittellos bei Verwandten in Kabul fest. Er konnte seine Frau und die zwei Kinder in den Iran bringen. Dort versuchte er erfolglos, Visa nach Deutschland zu bekommen, doch schließlich ging ihm das Geld für das Leben im Hotel aus. In Kabul kann er nicht in sein Haus zurück. "Unsere Nachbarn haben mitbekommen, dass wir Leute aufgenommen haben", sagt er dem ZDF. "Wir sind hier nicht sicher."

Innenministerium: Nicht aufnahmeberechtigt

Marcus Grotian, der die Safe Houses organisiert hatte, setzte sich im Januar 2022 bei der Bundesregierung für die Familie M. ein: "Ein Leben in der neuen Gesellschaftsordnung Afghanistans scheint unmöglich für die Familie M.", schrieb Grotian am 27. Januar. "Wir bitten Sie, sich dafür einzusetzen diesen Familien eine Aufnahmezusage zu erteilen."

Grotian bekam keine Antwort. Als die Linken-Abgeordnete Clara Bünger im April 2022 nachfragte, antwortete das Innenministerium ablehnend:

Personen, die weder auf der Ortskräfteliste noch auf der Liste der besonders gefährdeten Afghaninnen und Afghanen aufgeführt sind, zählen nicht zu dem aufnahmeberechtigten Personenkreis.
Innenministerium

Außenministerin Annalena Baerbock sicherte jetzt zu, sich für besonders gefährdete Menschen in Afghanistan einzusetzen, die nicht auf den Listen der Bundesregierung stehen.

Im Telefonat mit dem ZDF richtet Hakim M. einen eindringlichen Appell an die Bundesregierung:

Wir leben seit acht Monaten in Angst. Wir bitten die deutsche Regierung, uns aus Afghanistan herauszuholen.
Hakim M.
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