Deutschland hat die Evakuierungsflüge nach Kabul eingestellt. Die Zurückgeblieben ringen jetzt um Sicherheit und suchen andere Wege aus dem Land.
Ihre ganze Hoffnung hatte Rukhsar auf diesen Tag gelegt: Vor dem Abbey Gate wartet sie darauf, dass einer der US-Soldaten sie hereinlässt, richtet sich schon darauf ein, dass sie die Nacht dort oder im nahegelegenen Baron Hotel verbringen muss. Dort werden jene, die von einer Sicherheitsfirma begleitet werden, im Notfall untergebracht. Dann am späten Nachmittag die Nachricht: Die 25-jährige Sportlerin ist mit einem Flugzeug raus aus Afghanistan gekommen.
Wenige Stunden später explodiert die Bombe, die auch die Sportlerin hätte treffen können. Ihre Freude, es rechtzeitig geschafft zu haben, wird überschattet von der Trauer, so viele Teamkolleginnen zurücklassen zu müssen, die jetzt alle in Lebensgefahr sind.
Gerettete haben kaum Hoffnung für Zurückgelassene
"Sie haben uns im Stich gelassen, jetzt ist es für viele zu spät," meint ein Journalist, dessen Gesicht müde und traurig aus einem Zimmer irgendwo in Istanbul auf meinem Display erscheint. Er hatte sein Land bereits Mitte Juli verlassen und ist seitdem in der Türkei, wo er seit Tagen darum kämpft, Kollegen und Freunden zu helfen. Einige wollen es weiter versuchen, solange noch Flüge gehen. Sonst bleibt nur noch die Flucht nach Pakistan.
"Das hätte so nicht kommen müssen", sagt Najibullah Ansari, Ortskraft der Bundeswehr und seit Mittwoch mit seinem zwei Kindern und Ehefrau Muzhgan in Viersen. Deutschland und alle anderen Staaten des Bündnisses hätten denen, die gefährdet waren, Visa ausstellen sollen, als noch die Chance bestand, das Land sicher zu verlassen, meint er.
Tausende sind noch in Kabul
Unter den 10.000 Menschen, die Deutschland zurücklässt, sind Familien, mit denen die Ansaris noch vor kurzem zusammen in einem Safe House in Kabul ausgeharrt hatten. So viele sind zurückgeblieben.
Auch ein Familienvater gehört zu den Zurückgebliebenen. Der Mann spricht hervorragend Englisch, viele Jahre lang hat er für europäische und amerikanische Hilfsorganisationen übersetzt, sein Name steht auf der deutschen Evakuierungsliste.
Merkel verspricht alternative Wege
Sie sollen nicht vergessen werden, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel betont. Man suche jetzt andere Möglichkeiten, sie aus dem Land zu bringen: mit zivilen Maschinen, über den Landweg.
Doch darüber wird man mit den Taliban verhandeln müssen, die die Kontrolle über Straßen und Luftwege haben. Keine einfache Mission. "Ich vertraue auf solche Zusagen nicht mehr, wir wurden zu oft enttäuscht", sagt der Journalist in Istanbul.
Luftbrücke endgültig beendet
Auf dem Rollfeld in der usbekischen Hauptstadt Taschkent stehen zwei Maschinen der deutschen Luftwaffe. Sie werden nicht mehr nach Afghanistan fliegen, die deutsche Luftbrücke ist beendet. So war es schon geplant, bevor die Bomben am Hamid Karzai Flughafen explodierten.
Die, die in Kabul gerade versuchen, in den Flughafen zu gelangen – und darunter ist auch eine meiner Freudinnen, die mit einer Gruppe von Gleichgesinnten versucht, noch Menschen aus dem Land zu bringen – müssen jetzt darauf hoffen, dass Briten oder Amerikaner ihnen Plätze in ihren Transportern geben.