Das Kabinett hat längere Laufzeiten für die drei verbliebenen deutschen AKWs bis April gebilligt. Die Grünen mahnen, dass damit auch Schluss sein soll mit der Laufzeiten-Debatte.
Das Atomkraftwerk Isar 2 ist eines von drei AKWs, die bis Mitte April weiterlaufen sollen.
Quelle: dpa
Die verbliebenen drei Atomkraftwerke in Deutschland bleiben bis Mitte April in Betrieb - das hat das Bundeskabinett gebilligt. Die Minister stimmten der dafür nötigen Änderung des Atomgesetzes zu. Das Kabinett folgt damit einer Vorgabe von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Grund für die Laufzeitverlängerung ist die Energiekrise.
Habeck warnt FDP vor neuer Laufzeiten-Debatte
Der Weiterbetrieb werde "helfen in der angespannten Zeit" - vor allem mit Blick auf die Netzstabilität im süddeutschen Raum, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
Mit Blick auf den Koalitionspartner FDP warnte der Grünen-Politiker davor, im kommenden Jahr eine abermalige Laufzeitverlängerung ins Auge zu fassen: Schließlich bedeute Scholz' Entscheidung auch, dass die Nutzung der Atomkraft in Deutschland am 15. April 2023 endgültig auslaufe.
Ich gehe davon aus, dass die FDP vertragstreu ist und nicht die Autorität des Bundeskanzlers beschädigen wird.
Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister
Nach dem Machtwort des Kanzlers soll nun auch das Atomkraftwerk Emsland bis April 2023 weiter Strom liefern. In Niedersachsen sieht man das überwiegend kritisch.19.10.2022 | 2:32 min
Zäher Streit, schnelle Billigung
Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke betonte, der Entwurf stelle klar, "dass keine neuen Brennelemente beschafft werden dürfen". Auch habe es in den drei AKWs keine turnusgemäße Sicherheitsüberprüfung mehr gegeben. Das sei für wenige Monate vertretbar, aber nicht für einen längeren Zeitraum. Die Laufzeitverlängerung könne "noch einen gewissen Beitrag zur Stabilität der Stromversorgung in Deutschland leisten", ergänzte die Grünen-Politikerin.
Habeck sagte, das Kabinett habe die Änderung in "maximal vier Minuten" gebilligt. Insbesondere Grüne und FDP hatten sich in tagelangem Streit über den weiteren Umgang mit den deutschen Atomkraftwerken verhakt. Die Grünen wollten lediglich den Reservebetrieb der beiden süddeutschen Kraftwerke, die FDP forderte hingegen einen deutlich längeren Weiterbetrieb.
AKW-Streit durch Machtwort von Scholz beendet
Kanzler Scholz sprach schließlich am Montag ein Machtwort. Der SPD-Politiker nutzte seine Richtlinienkompetenz und wies die zuständigen Minister an, Gesetzesvorschläge zu machen, damit die Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland über das Jahresende hinaus bis zum 15. April 2023 weiterlaufen können. Eigentlich hätten die drei AKWs am 31. Dezember dieses Jahres vom Netz gehen sollen.
Jetzt ist der Bundestag am Zug - er könnte sich noch in der zweiten Novemberwoche mit der Gesetzesänderung befassen. Der Bundesrat könnte sie Ende November oder noch etwas früher in einer Sondersitzung billigen. Stimmen beide zu, gehen die drei Meiler bis Mitte April in einen Streckbetrieb, wobei die Leistung schrittweise reduziert wird. Die Anlagen dürfen nur noch die Brennelemente nutzen, die noch vorhanden sind und keine neuen beschaffen.
Mit Blick auf die Energiekrise betonte Habeck, für den Winter 2023/24 sei er "sehr zuversichtlich, dass wir eine andere Situation vorfinden werden". Er verwies auf den Aufbau von schwimmenden Importterminals für Flüssiggas in norddeutschen Häfen. Im Winter nächsten Jahres werde man "einen Gutteil der weggefallenen Leistung von Nord Stream 1" ersetzt haben.
"Ich finde es gut, dass dieser Streit jetzt endlich entschieden ist", so Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zum Machtwort des Kanzlers im AKW-Streit.19.10.2022 | 5:19 min