Energiekrise: Atomstreit im Streckbetrieb

    FAQ

    Energiekrise:Atomstreit im Streckbetrieb

    von Katharina Groß, Carsten Meyer und Dominik Rzepka
    |

    Die Bundesregierung will Atomkraftwerke wegen der Energiekrise länger laufen lassen. Heute entscheidet der Bundesrat. Wichtige Fragen und Antworten zur AKW-Laufzeitverlängerung.

    Kühlturm und Elektroanlage eines Steinkohlekraftwerks
    Nach der Laufzeitverlängerung der Kraftwerke bleiben auch die saarländischen Standorte am Netz. Sie sollten eigentlich diesen Monat stillgelegt werden, tragen jetzt aber zur Versorgungssicherheit bei.28.10.2022 | 1:51 min
    Trotz Kanzlermachtworts zur Laufzeitverlängerung mit endgültigem AKW-Aus im April ist die Diskussion um die Kernkraft nicht totzukriegen. Lesen Sie hier Antworten auf die wichtigsten Fragen.
    Laut Bundesregierung ist nach der Laufzeitverlängerung bis zum 15. April Schluss mit der Atomkraft in Deutschland. Für die Grünen ist das die rote Linie. Union und FDP fordern hingegen eine Laufzeitverlängerung bis 2024.

    Können die drei verbleibenden AKW einfach weiterlaufen?

    Ja. Die in der Diskussion stehenden Atomkraftwerke Isar 2 (E.on), Neckarwestheim 2 (EnBW) und Emsland (RWE) laufen weiter im Streckbetrieb.
    Die Anlage Isar 2 muss noch einmal heruntergefahren werden, damit die noch ausstehende Wartung der Druckhalteventile rechtzeitig vor Ende des Jahres stattfinden kann. Dadurch soll die Versorgungssicherheit gewährleistet werden.

    Braucht man neue Brennstäbe?

    Nein. Für den Streckbetrieb bis zum 15. April müssen die Brennelemente nicht ausgetauscht, sondern lediglich umpositioniert werden. Dadurch können die verbleibenden Kapazitäten optimal genutzt werden.
    RWE (Emsland) verzichtete bereits im Mai darauf, alte Brennelemente durch neue zu ersetzen, ordnete die Brennstäbe lediglich neu an. Damit die Restenergie der Elemente bis April reicht, wird eine erneute Umgruppierung notwendig werden. EnBW (Neckarwestheim) plant ebenfalls ein Neuarrangement der Elemente.
    Zwar können die drei Kraftwerke mit den bestehenden Brennstäben bis ins nächste Jahr produzieren. Dies ist jedoch mit fortschreitendem Leistungsverlust verbunden.

    Falls doch nötig: Ließen sich Brennstäbe noch rechtzeitig beschaffen?

    Schwierig. Sollte sich im April herausstellen, dass die drei AKWs in eine weitere Verlängerung gehen müssten, ist es für neue Brennstäbe zu spät. Die liegen nicht im Regal. Eine Lieferzeit von eineinhalb Jahren gilt als realistisch. Laut Branchenverband Kerntechnik Deutschland ließen sich nur unter bestimmten Voraussetzungen auch innerhalb von sechs bis sieben Monaten neue Brennstäbe beschaffen.

    Woher bekäme man Bennstäbe, wenn man sie brauchte?

    Zunächst braucht man Uran. 2021 waren die wichtigsten Förderländer Kasachstan (45 Prozent), Namibia (12 Prozent), Kanada (10 Prozent), Australien (9 Prozent). Die bedeutendsten Förderfirmen sind Kazatomprom (Kasachstan), Cameco (Kanada), Areva (Frankreich), ARMZ (Russland), BHP (Australien, UK).
    Das Uran wird zunächst angereichert, schließlich folgt die Produktion der Brennstäbe. Hier dominieren vier Unternehmen den Markt: Areva, Global Nuclear Fuel - ein Joint Venture von General Electric (USA) und Hitachi (Japan) -, TVEL (Rosatom, Russland) und Westinghouse.

    Wie können die AKWs zur Sicherheit der Stromversorgung beitragen?

    Der Anteil der drei noch laufenden Atomkraftwerke an Deutschlands Stromerzeugung lag im ersten Halbjahr 2022 bei sechs Prozent. Die Laufzeitverlängerung sorgt voraussichtlich vor allem in Süddeutschland für eine bessere Netzstabilität.
    Laut Bundesregierung sind die drei Meiler in der Lage, bis Mitte April noch 5,4 Terawattstunden Strom zu erzeugen. Dies entspricht ungefähr dem Stromverbrauch Berlins in einem halben Jahr.
    Energiesicherheit in Deutschland: Atom
    Deutschland will und muss sich unabhängig von russischem Gas machen. Zeitgleich ist der Atomausstieg Ende 2022 beschlossene Sache.22.05.2022 | 28:28 min
    Inwiefern der Streckbetrieb zur Senkung der Strompreise beitragen kann, ist umstritten, da hier eine Vielzahl von Parametern einfließen. Die Schätzungen liegen zwischen einem und zehn Prozent. Das Münchener ifo-Institut rechnet in einer aktuellen Studie mit einer Senkung der Strompreise um bis zu vier Prozent.

    Ist die politische Diskussion jetzt vorbei?

    Nein. Zwar sagt Kanzler Olaf Scholz (SPD), er habe entschieden und im kommenden Frühjahr sei Schluss mit Atomkraft in Deutschland. Aber Teile der FDP fordern bereits eine neue Diskussion. Sie sagen: Auch der Winter 2023/2024 werde hart, deswegen müsse noch einmal über längere AKW-Laufzeiten diskutiert werden. Das Thema bleibt umstritten in der Ampel. Wiedervorlage spätestens im April 2023.
    Strommast
    Deutschland will aussteigen: Keine Kohle. Kein Gas. Keine Atomkraft. Stattdessen wollen wir schnell komplett auf erneuerbare Energien setzen. Droht so ein großer Strom-Blackout?11.09.2022 | 29:04 min

    Mehr zum Thema