AUF1-TV aus Österreich ist einer der erfolgreichsten Kanäle für Corona-Leugner, Putin-Fans und Verschwörungstheoretiker. Wer steckt dahinter und was macht AUF1 so gefährlich?
Ein ganz normaler Satz in den AUF1-Nachrichten: "Die neue Weltordnung, die immer mehr mit subtiler Gewaltandrohung von den öko-kommunistischen linken Globo-Homo-Eliten durchgesetzt werden soll, beinhaltet nicht nur die Corona-Plandemie und den Klimaschwindel, sondern auch die Transgender-Ideologie."
Mehr Reizthemen, Verschwörungstheorien, Trigger-Wörter in einem Satz gehen kaum - aber genau das ist der Markenkern von AUF1, dem selbsternannten "alternativen, unabhängigen Fernsehen, Kanal 1" aus Österreich. Seit Frühsommer 2021 verbreitet der Sender sein Programm über eine Website, Youtube und Telegram. In Österreich sind AUF1-Sendungen auch beim Lokalsender RTV im Fernsehen zu sehen.
Heimat für Verschwörungstheoretiker, Querdenker, Putin-Fans
Die "Nachrichten" sind praktisch ausschließlich Meinungsbeiträge. Regelmäßig geht es um die Corona-Pandemie, die der Sender häufig als "Plandemie" bezeichnet, weil sie inszeniert sei. Die Impfungen sind laut AUF1 gefährliche "experimentelle Genspritzen", die für einen Rückgang von Geburten sorgen würden - eine geringere Weltbevölkerung und der "Great Reset" seien ohnehin der Plan von "Globalisten wie etwa Bill Gates".
"Corona ist eine Biowaffe und stammt aus dem Labor!", "Alles nur Hysterie!", heißt es. Seit Beginn der Pandemie sind Verschwörungsmythen in der öffentlichen Debatte so präsent wie nie zuvor.
Genau solche teils apokalyptischen Verschwörungstheorien sind wesentlicher Teil des Programms: Der Sender warnt beispielsweise vor "Globalisten", die den Menschen bald "Nano-Roboter in die Blutbahnen schleusen, Gehirnströme lenken, Chips implantieren" würden, die "Ideologie des Transhumanismus" schicke sich an, "die Spezies Mensch auszulöschen". Das alles sei "leider keine Verschwörungstheorie".
Ausführliche Dokumentationen zu den widerlegten Verschwörungstheorien von "Plandemie" bis "Great Reset" gibt es hier.
In einem Interview erklärt Jürgen Elsässer, der Chefredakteur des rechtsextremen Magazins "Compact", Putin habe sich mit dem Ukraine-Krieg endlich getraut, dem "globalistischen Imperium seine Grenzen aufzuzeigen". Wörtlich sagt Elsässer zum russischen Überfall auf die Ukraine: "Ich freu mich, dass es mal einer gemacht hat." Es hätte sonst in zehn oder zwanzig Jahren "unsere Völker nicht mehr gegeben und unsere Kinder hätten wirklich 70 Geschlechter".
AUF1 immer erfolgreicher
Mit diesen Themen ist AUF1 ausgesprochen erfolgreich: Der Kanal kommt auf über 200.000 Abonnenten bei Telegram, Tendenz steigend. Nach Daten des Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) in Berlin gehört AUF1 damit unter den "alternativen" Medien bei Telegram innerhalb von nur gut einem Jahr seines Bestehens zur Spitze - nur der Kanal des rechtskonservativen Bloggers Boris Reitschuster hat mehr Abonnenten.
Menschen, die Corona leugnen, würden den Sender als "ihr Medium" betrachten und sich damit identifizieren, schreibt der Journalist Markus Sulzbacher im österreichischen "Standard".
Von Seiten der AfD kommt Zustimmung: "Die Kollegen von AUF1 leisten eine hochprofessionelle Arbeit. Sie haben jede Unterstützung verdient" schrieb der AfD-Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck im Juni bei Facebook.
AUF1 drängt nach Deutschland
AUF1 plant künftig, noch sichtbarer zu werden, auch und vor allem in Deutschland: Bislang war bei Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen oft ein blauer Bus des Senders mit der Aufschrift "Nein zum Impfzwang!" zu sehen. Nun sollen Laster zum Einsatz kommen: "Mit unserer Botschaft beklebte Lkw fahren mehrere Monate quer durch Österreich und Deutschland", scheibt AUF1 bei Telegram.
AUF1-Chefredakteur Stefan Magnet treibt derzeit die Expansion des Senders nach Deutschland voran. Der bisherige TV-Chef des rechtsextremen "Compact"-Magazins Martin Müller-Mertens wurde im August zum "Deutschland-Korrespondent" ernannt. Er produzierte seitdem mehrere Beiträge unter anderem über Demos und Protestaktionen.
AUF1-Chefredakteur früher offenbar Neonazi-Kader
Magnet ist kein Unbekannter: Er war früher laut dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) Führungskader der österreichischen Neonazi-Jugendorganisation "Bund freier Jugend". Heute betreibt Magnet die rechte Werbeagentur "MS Medienlogistik Werbe GmbH".
Rechtsextremismus sei weiter eine Gefahr, so die Integrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan (SPD) und Extremismusforscher Prof. Matthias Quent 30 Jahre nach Rostock-Lichtenhagen.
AUF1 bediene ein verschwörungsideologisches und ein "rechtes bis rechtsextremes Milieu", erklärt Jan Rathje vom CeMAS. Rathje forscht seit Jahren zu Verschwörungstheorien, Rechtsextremismus und Antisemitismus.
Experte: AUF1 nutzt rechtsextreme Sprache
In den Beiträgen würden bestimmte Codes verwendet, die in der Szene verstanden werden: So spreche man beispielsweise nicht von Juden - um sich vom Vorwurf des Antisemitismus abzugrenzen - sondern stellvertretend von George Soros, einem jüdischen Milliardär und Philanthropen, so Rathje. Dabei würden jedoch die gleichen Stereotype benutzt wie auch im Antisemitismus, um Jüdinnen und Juden zu beschreiben - und das im Rahmen des Mythos einer jüdischen Weltverschwörung.
Durch diese Sprache würden auch Zuschauer, die bisher keine Neonazis waren und vor allem durch ihre verschwörungsideologischen Weltbilder geeint sind, an diese rechtsextremen Codes herangeführt.
Magnet weist den Vorwurf des Antisemitismus von sich: Er habe keine Scheu davor, Soros "als Brandstifter zu brandmarken". Denktabus - "nur weil er Jude ist" - seien "unangebracht", sagte er in einem Interview mit dem Medienmagazin "Zapp" des NDR. Auch den Vorwurf des Rechtsextremismus lässt er grundsätzlich an sich abprallen: Rechtsextrem sei einfach jeder, der der Obrigkeit, aus welchen Gründen auch immer, nicht passt, erklärte er in einer AUF1-Sendung.
Medienaufsicht bisher untätig
Verstößt das Programm von AUF1 massiv gegen journalistische Sorgfaltspflichten, könnte das möglicherweise ein Fall für Medienaufsichtsbehörden sein. Das Problem: Weil AUF1 in Österreich beheimatet ist und in Deutschland seine Beiträge bloß online anbietet, haben die deutschen Behörden keine Handhabe.
Von der Berliner Landesmedienanstalt heißt es auf Anfrage, man beobachte den Sender zwar, aber für ein Angebot aus Österreich sei man zunächst nicht zuständig - selbst, wenn es in Berlin ein "Korrespondentenbüro" gebe.
In Österreich ist die Medienbehörde "Komm Austria" zuständig. Ein Sprecher erklärte gegenüber ZDFheute, die Behörde werde nur tätig, wenn es konkrete Beschwerden oder sogenannte "Sachsverhaltsdarstellungen" zu den Sendungen von AUF1 beim Lokalsender "RTV" gibt - und die habe es so noch nicht gegeben.