Biden schläft in Glasgow ein, 1,2 Billionen für den Klimaschutz und Trump2024 - wohin Amerika sich entwickelt.
Der erste Blick auf Amerika in diesen Tagen ist ja so schön, denken sicher viele von Ihnen in Deutschland: Reisende aus der EU dürfen endlich wieder rein, der Travel Ban vom März 2020 ist aufgehoben. Umarmung, Küsse, Freudentränen an den Flughäfen in New York, Boston, Chicago, L.A., San Francisco und auch hier in Washington. Wie schön. Man will ja auch wieder kommen, weil Trump weg ist, ersetzt durch den viel netteren, sachlichen Joe.
Biden nickt in Glasgow ein
Dass Präsident Biden beim Auftritt in Glasgow mal kurz eingenickt ist, macht ihn nur sympathischer; und sein Land auch, weil die Vernunft ins Weiße Haus zurückgekehrt ist. Die USA und China wollen in Sachen Klima nun eng kooperieren, sogar brandneue Technologie im Kampf gegen Klimawandel miteinander teilen. Eine gute Nachricht, genau wie das unfassbar große Infrastrukturpaket über 1,2 Billionen (also 1.200 Milliarden) Dollar, das der US-Präsident - mit vielen Mühen, aber eben doch - durchs Parlament gebracht hat.
Also, alles klar hier? Irrtum! Amerika ist nach all dem trumpschen Drama zwar nicht mehr täglich als Sorgenkind in den Schlagzeilen, aber wir haben leider neben Gutem auch wieder Schlimmes zu berichten und werden beides ab sofort regelmäßig in dieser Kolumne tun, denn es braut sich etwas zusammen, das wir nicht aus dem Blick verlieren dürfen.
Drohanruf bei republikanischem Abgeordneten
Da ist zum Beispiel dieser Drohanruf, den der republikanische Kongressabgeordnete Fred Upton auf dem Anrufbeantworter seines Büros vorfand: "Du bist ein verf… Verräter. Du bist ein verf... Stück Scheiße. Ich hoffe, Du stirbst. Ich hoffe, jeder in Deiner verf…. Familie stirbt." Dann folgen weitere wüste Beschimpfungen, in denen noch sechsmal das F-Wort fällt, gegen Präsident Biden, wieder gegen Upton und seine Familie. Der Anrufer endet mit den Worten: "Ich hoffe, jeder von Deinen verf…. Mitarbeitern stirbt."
Der Republikaner Upton hatte vor ein paar Tagen gemeinsam mit zwölf weiteren Parteifreunden für das Infrastrukturgesetz der Biden-Administration gestimmt, sie alle werden von den Anhängern des abgewählten Präsidenten Donald Trump als Verräter angesehen und von einigen bedroht. Das allein ist nicht der Skandal, viel schlimmer ist, dass die Führung der republikanischen Partei dazu schweigt.
Anime-Video sorgt für Kritik
Genau wie im Fall des republikanischen Abgeordneten Paul Gosar. Der hatte ein verfremdetes Animé-Video verbreitet, in dem eine Figur mit seinem Gesicht die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez ermordet und Präsident Biden mit Schwertern attackiert. Solche Tweets, auch die Äußerungen der Parlamentarier Matt Gaetz und Marjorie Taylor Greene, die trumpkritische Parteifreunde als "Volksverräter" beschimpfen, senken die Schwelle zur Gewalt gegen politisch Andersdenkende und alle, die als "anders" deklariert werden.
Gosar twitterte mit Blick auf die illegalen Zuwanderer an der amerikanischen Südgrenze auch ein Zitat aus dem Zeichentrickfilm "A bug's life – Das große Krabbeln": "Wenn eine Ameise sich gegen uns erhebt, dann erheben sie sich vielleicht alle. Diese elenden kleinen Ameisen sind in Überzahl – 100 zu 1. Wenn wir je zulassen, dass sie das erkennen, … DANN IST UNSER WAY OF LIFE ERLEDIGT. Es geht nicht um Nahrung, es geht darum, diese Ameisen einzuhegen."
Trump 2024?
Der Vergleich von Menschen mit Insekten weckt düstere Erinnerungen. Rassistisches, rechtsextremistisches, faschistisches Gedankengut sitzt mitten im US-Kongress, angefeuert und wohl auch gesteuert von Donald Trump. Nach einer neuen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pew Research wünschen sich deutlich mehr als die Hälfte der Republikaner, dass Trump 2024 wieder als Präsidentschaftskandidat antritt.
Einer Studie des Public Religion Research Instituts zufolge stimmen 30 Prozent der Republikaner dem Satz zu: "Weil die Dinge so aus dem Ruder laufen, müssen wahre amerikanische Patrioten wahrscheinlich zu Gewalt greifen, um unser Land zu retten." Der Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 war demnach nur ein Vorspiel.
Wir werden in dieser Kolumne weiter beobachten, wohin Amerika sich entwickelt – im Guten wie im Schlechten.
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