Vor Kabinettsklausur:"Das wächst sich aus": Ampel sucht Einigkeit
von Kristina Hofmann
29.08.2022 | 18:00
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Viel Mühe geben sich derzeit die Ampel-Parteien, den Geist wieder in die Flasche zu stopfen. Noch am Sonntag hatten sich Grüne und SPD beschimpft. Ein Ruhe-Ruf kommt nun aus Prag.
"Passiert halt mal", die SPD sei eben zwölf Jahre in der Koalition einen anderen Umgangston gewohnt. "Das wächst sich aus", sagt Grünen-Chef Omid Nouripour. Manche "schlechte Gewohnheiten" blieben eben "haften".
Am Tag nach einem Wochenende mit heftigen Beschimpfungen innerhalb der Bundesregierung versucht es Nouripour mit Gelassenheit. Insgesamt, sagte er am Montag, arbeite man in der Ampel-Koalition "gut miteinander".
Am Sonntag hatte das noch völlig anders geklungen.
Notz: "Unloyales Verhalten und Missgunst"
SPD-Chef Lars Klingbeil hatte im "Spiegel" gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gekeilt und das Durcheinander bei der Gasumlage kritisiert: "Am Ende zählen in der Politik nicht nur schöne Worte, es muss vor allem die Substanz stimmen – daran werden wir gemessen."
Dirk Wiese, Vorsitzender des rechten Seeheimer Kreises innerhalb der SPD, schlug in dieselbe Kerbe. "Das Prinzip Habeck geht so: Auftritte filmreif, handwerkliche Umsetzung bedenklich und am Ende zahlt der Bürger drauf."
Grünen-Politiker wie Vize-Fraktionschef Konstantin von Notz war das offensichtlich zu viel. Er schlug zurück und zielte auf Kanzler Olaf Scholz (SPD): dessen schlechte Umfragewerte, dessen "schlechte Performance", seine "Erinnerungslücken" beim Cum-ex-Skandal – insgesamt "unloyales Verhalten und Missgunst" in der Koalition.
Tweet von Konstantin Notz
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Der Stil erinnert an 2010. Damals waren Union und FDP ein gutes halbes Jahr im Amt, als die CSU die Liberalen als "Wildsau" beschimpfte, was diese mit "Gurkentruppe" beantwortete. Erst ein Machtwort von Kanzlerin Angela Merkel beendete den Streit, der sich an der Einführung der Kopfpauschale im Gesundheitswesen entzündete. Dabei galten die drei sogenannten bürgerlichen Parteien immer als natürliche Koalitionspartner, was man von der aktuellen Ampel-Konstellation nicht behaupten kann.
Dementsprechend demütig gab man sich noch am Beginn. So gut wie nichts drang von Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen nach außen. Selfies wurden verbreitet, um die zarte Annäherung zwischen den größten Kontrahenten – FDP und Grüne – zu dokumentieren. Alle anderen hatten schon einmal miteinander regiert: SPD und Grüne saßen sieben Jahre lang, zwischen 1998 und 2005, im Bund zusammen auf der Regierungsbank; SPD und FDP gemeinsam von 1969 bis 1982.
Das berühmte erste Selfie noch vor den Sondierungsverhandlungen.
Quelle: phoenix
Die Dreierkonstellation SPD, Grüne, FDP gab es bis 2021 noch nie. Doch ein Zweckbündnis allein sollte es nicht sein. In ihrem Koalitionsvertrag im Dezember vorigen Jahres betonten sie, dass zwar die Parteien von "unterschiedlichen Traditionen, Perspektiven" geprägt seien.
Aber: Wenn die drei es schafften, gut zusammenzuarbeiten, dann könne "das ein ermutigendes Signal in die Gesellschaft hinein sein: dass Zusammenhalt und Fortschritt auch bei unterschiedlichen Sichtweisen gelingen können".
Wir wollen eine Kultur des Respekts befördern – Respekt für andere Meinungen, für Gegenargumente und Streit, für andere Lebenswelten und Einstellungen.
Koalitionsvertrag 2021
Niedersachsens Spitzenkandidatin fordert Mäßigung
Soweit der Anspruch. In der Realität drücken die Koalition nicht nur zwei Krisen, wie man mit der Corona-Pandemie und dem Klimawandel beim Abschluss des Koalitionsvertrages noch angenommen hatte. Mittlerweile ist der Ukraine-Krieg dazu gekommen, und alles hängt mit ihm zusammen: die Energiekrise, erst Gas, dann Strom, dazu die Inflation und die Finanzkrise, die leeren Kassen und die desolate Bundeswehr.
An der Gasumlage entzündet sich die ganze Nervosität. Sie wurde von Habecks Ministerium vorgelegt und ist fehlerhaft, was die Ampel-Parteien ihm anlasten, obwohl die Verordnung vom gesamten Bundeskabinett beschlossen wurde. Zusätzlich dürfte für schlechte Stimmung sorgen, dass in Umfragen die Grünen mittlerweile die SPD überholt haben und Habeck für der bessere Kanzler als Scholz gehalten wird.
Mahnung kommt aus Niedersachsen, wo am 9. Oktober gewählt wird. Grünen-Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg riet am Montag "zur Mäßigung in der Debatte". Der Fehler bei der Gasumlage sei "natürlich ärgerlich". Die Menschen aber seien verunsichert und hätten Sorgen, sie erwarteten "Lösungen", sagte Hamburg.
SPD-Politiker Roth fordert "Peeeeeeace"
Mittlerweile versucht sich auch SPD-Chef Klingbeil an einem etwas milderen Ton: Dass Habeck die Gasumlage überarbeiten wolle, sei der "richtige Weg", sagte er im ARD-Morgenmagazin. Wichtig sei, dass die Regierung die Kraft habe, "Fehlentwicklungen" zu benennen und zu korrigieren.
Grünen-Parteichefin Ricarda Lang hob Annäherungen zwischen den Parteien bei der Diskussion um das 9-Euro-Ticket hervor. Die Entlastungsvorschläge der SPD seien "eine gute Grundlage für weitere Verhandlungen".
Auch aus den Parteien kommen Forderungen, den Streit zu beenden. Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, twitterte:
Tweet von Michael Roth
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Und der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), schien ebenfalls genervt:
Tweet von Sven Lehmann
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Sehr belastbar scheint der Koalitionsfrieden aber noch nicht zu sein. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) versicherte im ZDF, Habeck habe "die volle politische Rückendeckung". Um gleich hinterher zu schieben, dass der Strommarkt "ganz kurzfristig" vom Gasmarkt entkoppelt werden müsse. "Wir müssen eben handeln", sagte Lindner. Und damit war klar, wer gemeint ist.
Scholz: "Wir arbeiten gut zusammen"
Ab Dienstag zieht sich das Bundeskabinett für zwei Tage zur Klausur nach Meseberg zurück. Dass es da richtig krachen könnte, glaubt Kanzler Scholz offensichtlich nicht. Im Gegenteil: "Wir arbeiten sehr eng und sehr gut zusammen, gerade auch was die Entscheidungen betrifft, die jetzt unmittelbar bevorstehen", sagte er am Montag in Prag.
Noch in dieser Woche wird das dritte Entlastungspaket erwartet. Mit Ergebnis, so Scholz:
Und wir werden auch darüber zu reden haben, wenn dann alle Meinungen zusammengekommen sind, die wir verwerten müssen, um eine Entscheidung zu treffen. Diese Entscheidung steht unmittelbar bevor.
Zur Entlastung der Bürger strebt die SPD-Fraktionsführung unter anderem Direktzahlungen, eine Preisbremse für den Grundbedarf an Energie und ein bundesweites 49-Euro-Ticket an.