Streit in der Ampel-Koalition: Konnten sich SPD, Grüne und FDP wirklich zusammenraufen? Nach der Klausur in Meseberg betonen die Ampel-Parteien Einigkeit.
Harmonie und humorvolle Einigkeit: Die Ampel hat auf Schloss Meseberg Entscheidungen zu Streitthemen ausgespart.
Die Regierung meldet weißen Rauch. Doch das, was da heute aus Schloss Meseberg aufsteigt, droht, sich im Brandenburger Winterhimmel zu verlieren. Die ausgesandte Botschaft von der Klausur des Kabinetts ist positiv oder "zuversichtlich", wie der Kanzler sagt: "Es hat ein sehr fühlbares Unterhaken gegeben."
So richtige Gemeinsamkeit allerdings war bei der mit einer halben Stunde Verspätung beginnenden Pressekonferenz nicht zu spüren. Olaf Scholz lobte eine sehr gute Klausur und interessante Gesprächspartner.
Sehen Sie hier die Pressekonferenz mit Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner in voller Länge.
Kanzler betont die Chancen der Krise
Seine Botschaft: Die großen Aufgaben, die Deutschland zu meistern hat, werden alle glücklich machen. Sowohl die Wirtschaft, die durch Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und die angestrebte Klimaneutralität viele Aufträge bekommen werde, als auch die Bevölkerung.
Es gibt viele Streitfragen innerhalb der Koalition. Aber: Die Ampel habe im ersten Jahr geliefert, sagt Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele.
Mit keinem Wort ging der Kanzler auf die Differenzen zwischen den streitenden Parteien FDP und Grüne ein. Dabei stand er mitten zwischen den beiden Protagonisten. Robert Habeck stieß in des Kanzlers Horn: Der Kampf gegen den Klimawandel und die Digitalisierung seien ein "gigantisches Industrie- und Beschäftigungsprogramm", das vor allem Chancen biete.
Lindner macht sich weiter für Verbrenner stark
Christian Lindner machte dann aber gleich nochmal klar, dass das Geld nicht nur vom Staat kommen könne, sondern auch privater Investitionen bedürfe. Zustimmung signalisierte er vor allem in der Frage der Digitalisierung. Dass Deutschland zu analog ist, darauf konnten sich alle einigen. Das kaum gesagt, schwenkte Lindner aber wieder auf die Punkte ein, in denen er von der Koalitionslinie abweicht.
Die Koalition wollte Einigkeit demonstrieren, sagt ZDF-Korrespondentin Nicole Diekmann. Die Wahrheit sei jedoch anders.
Für die Kindergrundsicherung rechnet er mit drei Milliarden Euro, die aber nur die Digitalisierung beinhalten würden, während acht Milliarden Euro angesetzt und laut zuständiger Ministerin zwölf Milliarden Euro gebraucht werden. Überhaupt habe man damit Zeit. Und weiterhin will der FDP-Chef sich für den Verbrennungsmotor einsetzen, der dann eben E-Fuels verbrennen solle.
Nur darauf reagierte Scholz eher sanft, dass es da ja EU-Gesetzgebung gebe - die nämlich den Verbrennungsmotor bis 2035 verbieten will. Sonst schwiegen Kanzler und Wirtschaftsminister, man weiß nicht, ob weise oder gönnerhaft, dazu, dass Lindner das gerade erst präsentierte Bild vom harmonischen Miteinander bei der ersten Gelegenheit anschoss.
Der Streit um längere Laufzeiten für Atomkraftwerke führt zu Spannungen, vor allem zwischen FDP und Grünen.
GWS-Studie zu Klimaschutz liefert Habeck Munition
Vielleicht lag vor allem Habecks Großzügigkeit daran, dass eine heute herausgekommene Studie des Instituts für wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) den Grünen Munition liefert. Sie rechnet vor, dass die volkwirtschaftlichen Schäden des Klimawandels in Deutschland bis 2050 900 Milliarden Euro kosten könnten.
Dem Finanzminister reinzudrücken, dass jeder in den Klimaschutz investierte Euro ihm und dem Land Geld sparen würde, verkniff Habeck sich. Über Geld wurde aber auf Meseberg angeblich noch gar nicht gesprochen. Dieser Streit kommt erst noch. 70 Milliarden Euro mehr wollen die Minister Christian Lindner aus dem Haushalt leiern. Der aber bleibt dabei, dass er die Schuldenbremse einhalten will.
Insbesondere Grüne und FDP haben häufig gegensätzliche Positionen, die Kompromisse oft schwierig machen.
Natürlich, das war von Anfang an klar, würde es in dieser Koalition Streit geben. Wie anders sollte es sein, wenn Grüne und FDP, die in vielen Politikfeldern diametral entgegengesetzte Positionen vertreten, gemeinsam Politik machen?
Dass die Ampel-Koalitionäre streiten, darf also niemanden verwundern. Dass sie sich einigen, oder "unterhaken" aber muss jeder fordern dürfen. Und dass sie ihr Versprechen halten, die gute Stimmung auf Meseberg werde sich jetzt in schnellen Entscheidungen im Alltagsgeschäft niederschlagen, auch.