Die Ampelkoalition will einen Aufbruch im Wohnungsbau wagen. Mit 400.000 Wohnungen pro Jahr, jede vierte davon eine Sozialwohnung, sind ehrgeizige Neubau- und Klimaziele gesteckt.
Bauen, Umbauen, Modernisieren - so der Fahrplan für den Wohnungsbau. Wie ist das bei begrenzten Haushaltsmitteln, teurer werdenden Baustoffen, steigenden Grundstückspreisen und der Forderung nach klimaneutralem Bauen zu schaffen?
Werden bald viel mehr Menschen hierzulande über Parkhäusern, Supermärkten, in umgebauten Bürogebäuden und ganz weit oben auf Dächern alter Plattenbauten mit ganz neuem Potential wohnen ?
Beispiel Berlin: Neue Geschosse auf Bestandsimmobilien
Im Norden von Berlin wurde auf einem fünfstöckigen Haus noch einmal drei Etagen aufgestockt. Ein Pilotprojekt der HOWOGE-Wohnungsbaugesellschaft. 50 neue Wohnungen auf einem DDR-Plattenbau des Typs WBS 70, für die keine neuen Grundstücksressourcen notwendig waren. Geschäftsführer Ulrich Schiller erläutert:
"Allerdings haben wir im Bestand gebaut, da braucht man zunächst die Akzeptanz der Mieter für eine lange Bauphase," ergänzt Schiller.
Das Projekt begann mit der Ertüchtigung der Fundamente im Keller des ganzen alten Baukörpers; es folgten der Bau von Aufzügen und dann die Aufbauten der Wohnungen in Holzhybridweise. Sowohl technisch wie wirtschaftlich wurden Erfahrungen gesammelt, die nun weiteren Typenplanungen der Stadt zur Verfügung gestellt werden.
Wohnraum ist knapp und teuer. 341 000 neue Wohnungen müssten in Deutschland pro Jahr entstehen, gebaut wird nur etwa die Hälfte. Welche Lösungen gibt es für mehr Häuser und bezahlbare Mieten?
Wie in der Fläche auch wurden die Hälfte der durch Aufstockung entstandenen Wohnungen öffentlich gefördert - können also zu 6,50 Euro vermietet werden - die andere Hälfte zu Baukosten gerechten 11 Euro.
Große Kostentreiber waren rasant steigende Material- und Rohstoffpreise. Besonders bei Holz und Stahl. Die Erkenntnis dennoch: Sozialer Wohnungsbau ist mit Aufstockung möglich.
Über fünf Millionen neue Wohnungen durch Umbau und Dachaufbau
Von den 19,3 Millionen Wohngebäuden in Deutschland ist das Potential im Baubestand riesig:
Das sagt der Chef des Wohnungs-und Bauforschungsinstituts ARGE Dietmar Walberg. Er hat für den Wohnungsbau-Tag 2022 eine "Wohn-Inventur für Deutschland" gemacht. Sein Fazit:
4,3 Millionen neuer Wohnungen könnten allein durch Umbau entstehen. Allein der Umbau von nicht mehr gebrauchten Büros durch Home Office würde 1,9 Millionen Wohnungen bringen und das relativ kostengünstig für 1.300 Euro pro Quadratmeter - Neubaupreise liegen bei 3.400 Euro pro Quadratmeter.
Dachaufbauten bieten laut seiner Studie das enorme Potential von 1,5 Millionen neuer Wohnungen zu Kosten von rund 2.500 Euro pro Quadratmeter. Dazu kommt das Aufstocken von Verwaltungs-, und Bürokomplexen, Supermärkten, Parkhäusern, Fabriketagen.
Deutschland wird sich gewaltig umbauen müssen, um über die Neubaukapazität hinaus neue Wohnungen zu bekommen.
Knackpunkt energetische Sanierung
Beim Energiesparen müsse Deutschland in den Turbo-Gang schalten. Deutlich mehr Altbauten sollten energetisch saniert werden. Allerdings muss Klimaneutralität bezahlbar sein. Laut ARGE liegen die Schätzungen für empfohlene Energiesanierung bei jährlichen Kosten von 150 Milliarden Euro.
- KfW-Förderstopp gestoppt: "Kein Glanzstück"
Kehrtwende bei der KfW-Förderung für Energiesparhäuser: Trotz des Stopps des Programms sollen nun Anträge doch noch geprüft werden. Minister Habeck räumte Fehler ein.
Um Klimaschutz für Mieter bezahlbar zu gestalten, werden Fördermittel von acht bis 14 Milliarden Euro pro Jahr nötig, und es muss Anreize in Höhe von 30 Milliarden pro Jahr für Modernisierung geben.
Der Staat muss mit einem Multi-Milliarden Paket tief in die Tasche greifen, damit die ehrgeizigen Wohnungsbau- und Klimaziele beim Wohnen erfüllt werden können. Er kann sich keine Förderlücke erlauben. Die Bau- und Immobiolienbranche fordert mehr Anreize, mehr Tempo, mehr Verlässlichkeit.
Sylvia Bleßmann ist Reporterin und Autorin im ZDF-Landesstudio Berlin.