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Faktencheck

Attacke auf Einkaufszentrum : Wo der Kreml lügt - und was noch unklar ist

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Nach dem Angriff in Krementschuk steht Russland einmal mehr für ein mutmaßliches Kriegsverbrechen am Pranger. ZDFheute entlarvt die Ausreden der russischen Propaganda.

Das Einkaufszentrum in Krementschuk ist nach Angriffen zerstört. Feuerwehrleute löschen und beseitigen die Trümmer.
Das Einkaufszentrum in Krementschuk ist nach Angriffen zerstört. Feuerwehrleute löschen und beseitigen die Trümmer.
Quelle: dpa

Der Raketenangriff auf ein Einkaufszentrum im ukrainischen Krementschuk mit zahlreichen Toten und Verletzten hat international Entsetzen ausgelöst. Die G7 verurteilten den Akt als "Kriegsverbrechen". Der Kreml ringt um Erklärungen und liefert - wie auch schon beim Angriff auf eine Geburtsklinik in Mariupol - unterschiedliche und teils widersprüchliche Versionen der eigenen Propaganda:

Zunächst behauptete der stellvertetende UN-Botschafter Russlands Dmitri Poljanski am Montag bei Twitter, es gebe "schon zu viele Ungereimtheiten" in Krementschuk - der Fall sehe aus wie eine erneute "ukrainische Provokation a la Butscha". Die Botschaft: Russland habe mit dem Fall nichts zu tun, die Ukraine hätte den Angriff inszeniert.

Russland gibt Angriff zu

Am darauffolgenden Tag schob Russland eine neue Erklärung nach und gab dann doch den Angriff zu: Russische Kampflugzeuge hätten "Hochpräzisionsraketen" auf ein Depot mit westlichen Waffen und Munition abgefeuert. Erst deren Explosion habe das Feuer in dem "nicht mehr betriebenen Einkaufszentrum" ausgelöst, behauptete Armeesprecher Igor Konaschenkow.

In einigen russlandfreundlichen Telegram-Kanälen wird diese Behauptung ebenfalls verbreitet, unter anderem von Alina Lipp. Sie lebt in Donezk und betreibt einen zweisprachigen Telegram-Kanal mit fast 180.000 Followern, der schon wiederholt mit Fakes aufgefallen ist. Zum Beweis soll ein Screenshot von Google-Maps dienen, in dem das Einkaufszentrum von Google als "dauerhaft geschlossen" angezeigt wird.

Einkaufzentrum war sehr wohl in Betrieb

Eine Reihe von Beweisen und Indizien sprechen jedoch dafür, dass das Einkaufszentrum "Amstor" sehr wohl in Betrieb war.

  • Werbung im Internet: Geschäfte im "Amstor" haben bis vor wenigen Tagen oder Wochen online um Kunden geworben oder über ihre Aktivitäten dort berichtet. Noch am 24. Juni veröffentlichte etwa das Herren-Bekleidungsgeschäft "Town" einen Beitrag auf Facebook mit Werbung für Herrenhemden und dem Hinweis auf die Filiale im "Amstor". Ein Elektronikhändler aus Krementschuk postete im Juni beim Kartendienst Google Maps Fotos seiner Filiale im Einkaufszentrum, die Supermarktkette "Silpo" verweist auf ihrer Webseite ebenfalls auf Öffnungszeiten der Filiale im "Amstor".
  • Augenzeugen: Etliche Anwohner erklärten nach dem Angriff gegenüber Journalisten, dass das Einkaufszentrum zum Zeitpunkt des Angriffs geöffnet war. Mehrere Nachrichtenagenturen, darunter Reuters, interviewten Opfer des Angriffs, auch Reporter der britischen BBC sprachen mit Kunden und Angestellten des Einkaufszentrums. Ein lokaler Telegram-Kanal veröffentlichte Details über Vermisste, die am Tag des Angriffs dort arbeiteten oder einkaufen waren.
  • Kassenzettel: Etliche Nutzer posten in Sozialen Medien zum Beweis Kassenzettel aus Läden des "Amstor" mit Datum vom Tag des Angriffs, beispielsweise bei Twitter oder Telegram.
  • Videos: Die BBC zeigt Screenshots aus dem Video einer Anwohnerin vom 25. Juni, in dem geöffnete Läden mit Kunden in dem Einkaufszentrum zu sehen sind. Ein weiteres Youtube-Video, offenbar nur einen Tag vor dem Angriff aufgenommen, zeigt ebenfalls, dass das Shoppingcenter ganz normal in Betrieb war.

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Angaben von Google-Maps nicht zuverlässig

Dass bei Google-Maps das Einkaufszentrum nun als "dauerhaft geschlossen" angezeigt wird, ist kein Beweis - und zudem wenig verwunderlich. Mindestens am 28. Juni wurde es noch als geöffnet angezeigt - trotz der Zerstörung, wie dieser archivierte Screenshot belegt. Angaben bei Google Maps können außerdem von jedem verändert werden und sind daher nicht immer zuverlässig.

Doch was ist mit der Erklärung des russischen Verteidigungsministeriums, das behauptet, ein Waffenlager beschossen zu haben - und der Brand des Einkaufszentrums sei erst durch explodierende Munition ausgelöst worden?

Mindestens zwei Raketen trafen das Gebiet

Anwohner berichteten der Nachrichtenagentur AFP, dass von Waffenlagern in der Gegend nichts bekannt sei. Zehn Minuten Fußweg vom Einkaufszentrum entfernt liegt eine Fabrik, die Baumaschinen herstellt. Nach Berichten von AFP-Journalisten vor Ort ist eines der Gebäude dort zerstört, der Rest unbeschädigt. Militärische Ausrüstung sei dort nicht zu sehen. Auch die Ukraine bestreitet, dass es in der Nähe ein Waffenlager gab und teilt mit, das Einkaufszentrum sei bei dem Angriff am Montag direkt getroffen worden.

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Mehrere Überwachungskameras in einem Park, der direkt an die Industrieanlage angrenzt, dokumentieren eine große Explosion in unmittelbarer Nähe. Eine der Raketen traf offenbar die Industriehalle nahe eines Teichs. Ein weiteres Video zeigt, wie eine weitere Rakete das Einkaufszentrum entweder direkt oder zumindest am nordöstlichen Rand trifft. Unter anderem Experten der Rechercheplattform Bellingcat konnten den jeweiligen Ort der Einschläge anhand der verfügbaren Videos relativ genau bestimmen.

Nahezu ausgeschlossen erscheint die russische Erklärung, dass das Feuer von dem Industriegelände auf "Amstor" übergegriffen habe: Die getroffene Halle ist etwa 300 Meter vom Einkaufszentrum entfernt, alle anderen Gebäude auf dem Industriegelände mindestens einhundert Meter - und laut dem AFP-Reporter sind sie unbeschädigt. Zudem trennen eine Bahnstrecke, Bäume und eine Mauer das Gelände von "Amstor". Auch von "Sekundärexplosionen von Munition" ist auf den Videos der Überwachungskameras nichts zu sehen.

Britischer Geheimdienst: Angriff war vielleicht Versehen

Unklar ist jedoch, ob der Angriff auf das Einkaufszentrum absichtlich geschah. Nach Einschätzung britischer Geheimdienste könnte der Treffer auch ein Versehen gewesen sein. Es sei durchaus realistisch, dass die Attacke am Montag ein nahe gelegenes Infrastrukturziel habe treffen sollen, hieß es in einem am Mittwoch veröffentlichten Update des britischen Verteidigungsministeriums.

Moskaus Angriffe mit Langstreckenraketen seien auch schon in der Vergangenheit ungenau gewesen, da Russland einen Mangel an moderneren Präzisionswaffen und deutliche Schwächen bei der Planung seiner Ziele habe. Daher müsse man durch weitere Angriffe mit noch mehr zivilen Opfern rechnen, hieß es.

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