Der Kiew-Vorstoß sei laut Sicherheitsexperte Walter Feichtinger nicht so verlaufen, wie sich Russland das erwartet hat. Aber: Man dürfe Putins Entschlossenheit nicht unterschätzen.
"Es gibt eine Fokussierung auf die Hauptstadt und eine Fokussierung auf den Osten des Landes", so Prof. Walter Feichtinger, Brigadegeneral a.D. der österreichischen Armee, zum Krieg in der Ukraine.
Der Wiener Sicherheitsforscher Walter Feichtinger geht davon aus, dass die russischen Truppen im Krieg gegen die Ukraine versuchen, die Hauptstadt Kiew einzuschließen. Man wolle "offensichtlich einen Ring um Kiew ziehen", um die Hauptstadt einzunehmen, so Feichtinger im ZDF-Morgenmagazin am Sonntag.
Man müsse deshalb genau nach Mariupol im Osten der Ukraine schauen. Die Industriestadt mit 440.000 Einwohnern werde derzeit ebenfalls eingekreist. Das könne "ein Muster sein, wie man es mit Kiew machen möchte".
Ukrainer leisten überraschend starken Widerstand
Der Angriff auf Kiew sei laut Feichtinger aber "offensichtlich noch nicht so verlaufen ist, wie man sich das vorstellt". Das Vorrücken auf Kiew sei bisher nicht erfolgreich gewesen, die Angriffe konnten abgewehrt werden.
Das liege auch an der gut vorbereiteten Gegenwehr der Ukrainer. Es sei überraschend gewesen, "dass der Widerstandswille und die Fähigkeit dazu von ukrainischer Seite so hoch ist", sagte der ehemalige Brigadegeneral der österreichischen Armee im ZDF-Morgenmagazin. Wie der Krieg in den kommenden Tagen ablaufen wird, hinge sehr stark von diesem Widerstand ab.
"Hilfstransporte mit Lebensmitteln und Medikamenten erreichen die Stadt nicht mehr", so Katrin Eigendorf, ZDF-Korrespondentin, zur Lage in Mariupol.
Putin will die Ukraine unter Kontrolle bringen
Man dürfe aber nicht die Entschlossenheit von Russlands Präsident Wladimir Putin unterschätzen. "Er ist derzeit zwar schon etwas in Bedrängnis, aber er will die Ukraine unter Kontrolle bringen", so Walter Feichtinger. Deshalb sei auch zu befürchten, dass noch mehr militärische Mittel eingesetzt werden - und dadurch noch mehr Schäden und zivile Opfer zu beklagen sein werden.
Ein Beispiel: der Militärkonvoi Russlands vor Kiew. "Dieser 60 Kilometer lange Konvoi zeigt lediglich, dass hier massiv Kräfte Richtung Kiew, der Hauptstadt, vorgeschoben werden", so der Sicherheitsexperte. Man warte ab, bis auch Kräfte im Osten und Westen der Stadt einsatzbereit seien.
Russland hat die Ukraine auf breiter Front angegriffen. Derzeit sehe man neben des Hauptstoßes auf Kiew laut Walter Feichtinger weitere Fronten:
- Einen Angriff auf breiter Front im Osten, der vor allem in die besetzten Gebiete Donezk und Luhansk geht. Dort gebe es "heftige Kämpfe" an der Kontaktlinie.
- Ein großer Angriff im Süden von der Krim aus. Dort zeichne sich ein Vorstoß auf die Hafenstadt Odessa ab.
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Russlandfreundliche Regierung? "Zweifel, ob das gelingen kann"
Laut Walter Feichtinger ist die russische Armee komplett überlegen, wenn es zum Beispiel um Flugzeuge und Artillerie geht. Es könne aber nicht das Ziel sein, damit die Ukraine in Schutt und Asche zu legen.
Putin gehe es vermutlich darum, eine russlandfreundliche Regierung zu installieren. Feichtinger habe aber größte "Zweifel, ob das jemals gelingen kann". Und selbst wenn, glaube er nicht, dass sie die Herrschaft im ganzen Land innehaben kann.
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