In Argentinien braut sich ein sozialer Sturm zusammen. Grund sind die galoppierenden Preise für Lebensmittel und Energie, die das Land besonders hart treffen.
Schon früh am Morgen versammeln sich die Menschen am Puente Pueyrredon in Buenos Aires. Sie sind gekommen, um gegen die galoppierende Inflation und die schwere Versorgungskrise in Argentinien zu protestieren. In dem südamerikanischen Land sind die Menschen nicht mehr bereit, die Konsequenzen dieser Abwärtsspirale allein zu tragen.
In Argentinien ist gut zu beobachten, welche Spannungen eine Gesellschaft aushalten muss, wenn Inflation und Energiepreise nicht mehr zu stemmen sind. Die Stimmung der einfachen Arbeiter fasst der immer populärer werdende Sozialaktivist Juan Grabois in einer kämpferischen Rede zusammen. Der 39-Jährige fordert sofortige Gegenmaßnahmen der Regierung von Präsident Alberto Fernandez, um den Ärmsten der Armen zu helfen.
Peso stürzt ins Bodenlose
Eigentlich gehört Grabois im weitesten Sinne dem linken peronistischen Regierungslager an, doch die Regierung von Fernandez und seiner mächtigen Vizepräsidentin Cristina Kirchner, die das Land selbst von 2007 bis 2015 als Nachfolgerin ihres inzwischen verstorbenen Mannes Nestor Kirchner regierte, wird von heftigen Machtkämpfen des Führungsduos um den richtigen Kurs erschüttert. Grabois hat sich auf die Seite Kirchners geschlagen und attackiert den Präsidenten. Er fordert Ausgleichszahlungen für die hohe Inflation und Unterstützung für die Armen.
Im vor allem nachts kalten argentinischen Winter rücken die Menschen derweil noch enger zusammen. Innerhalb von zehn Tagen hat der argentinische Peso fast 40 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar verloren. Das führt zu dramatischen Preissteigerungen im Alltag. Ein Wechsel an der Spitze des Wirtschaftsministeriums half nicht, die Märkte zu beruhigen. Nun steuert das Land auf einen großen Knall zu. Denn der Peso-Verfall kennt praktisch keinen Boden.
Pulli und Jacke statt Heizung
Bereits 1,5 Millionen Haushalte haben sich in die Liste für Subventionszahlungen für Gaslieferungen eingetragen. Die meisten Ladenlokale verzichten ohnehin auf eine Heizung, stattdessen wird einfach nur ein weiterer Pulli und eine noch dickere Jacke angezogen. Und es beginnt ein gnadenloser Kampf um jeden Dollar - die Ersatzwährung, die die Stabilität verspricht, die der Peso einmal mehr nicht halten kann.
Wie Belgien, Schweden und Frankreich die Energiepreise zu bremsen versuchen.
Der immer bekannter werdende radikale Marktliberale Javier Milei, dem inzwischen Chancen eingeräumt werden, im kommenden Jahr die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen, will einen kompletten Wechsel des argentinischen Geschäftsmodells.
Radikaler Liberalismus gegen linken Aktivismus
Milei sammelt die Stimmung der frustrierten und enttäuschten Argentinier ein. Vor allem bei der Jugend, die angesichts der hohen Inflation keinerlei Perspektive sieht, irgendwann einmal Eigentum zu haben, sind Mileis marktliberale Ansichten immer beliebter. Er schlägt vor, das Land komplett zu dollarisieren. Auch diese Idee findet angesichts einer neuen drohenden Staatspleite immer mehr Anhänger.
Nun rollen diese beiden Züge aufeinander zu: Der radikale Marktliberalismus von Javier Milei, der die Staatsbürokratie, die Zentralbank und den Peso am liebsten komplett abschaffen will, und der um die Ärmsten der Armen besorgte Grabois, der vor allem die einkommensschwachen Bevölkerungsschichten unter den Schutz des Staates stellen will.
Für Mittwoch ist wieder eine Großdemo geplant, rund um den weltberühmten Obelisken will die Arbeiterbewegung mit einem Fackelmarsch auf die dramatische Lage im Land aufmerksam machen.