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Konflikt im Schatten der Ukraine:Armenien: Von Putin alleingelassen
von Nina Niebergall
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Während die Welt auf die Ukraine schaut, fürchten die Armenier einen Krieg mit Aserbaidschan. In Jerewan trainieren Freiwillige mit Waffen. Es ist ein Kampf David gegen Goliath.
Auf seine einstige Schutzmacht Russland kann sich Armenien nicht mehr verlassen. Immer wieder wird das Land von Aserbaidschan angegriffen. Viele Menschen haben nun Angst vor einer Invasion. 29.11.2022 | 12:57 min
Sie will nicht mehr nur zuschauen, wenn ihr Mann, ihr Bruder, ihr Vater in den Krieg ziehen. Sondern selbst kämpfen. Dafür trainiert Angin Khachatryan Abend für Abend, zusammen mit anderen Freiwilligen. Die 25-jährige Armenierin ist sicher, dass Aserbaidschan Armenien wieder angreifen wird.
Selbstverteidigungskurs - mit Kalaschnikow-Attrappen
Sie treffen sich am Rande der Hauptstadt Jerewan, in einem alten sowjetischen Kino. Es wirkt wie ein Geheimquartier für Revolutionäre. Und so etwas Ähnliches ist es auch. Eine Art Selbstverteidigungskurs - mit alten Kalaschnikows wollen sie den Ernstfall üben. Noch sind es nur Attrappen.
Wie real dieses Szenario sein könnte, das haben sie in der Nacht zum 13. September erlebt. Als Aserbaidschan mit Artillerie und großkalibrigen Waffen ihr Staatsgebiet angegriffen hat. Es war nicht der erste Angriff dieser Art. Schon seit Mai 2021 beschießt die aserbaidschanische Seite immer wieder armenische Grenzorte. Nadelstichartig. Inzwischen halten sie 130 Quadratkilometer armenisches Territorium besetzt.
Angriffe auf mehrere Städte
Der Angriff auf die Städte Goris, Sotk und Jermuk im September hatte eine neue Qualität. Militärstellungen sollen das Ziel gewesen sein - aber es traf auch Wohngegenden. Zum Beispiel die, in der Narine Jepremjan mit ihren drei Söhnen wohnt. Sie wurde aus dem Schlaf geschreckt, als ein Granatsplitter ihr Haus traf.
Narine lebt in Jermuk in Armenien, nahe der Grenze zu Aserbaidschan. Auf die einstige Schutzmacht Russland können die Armenier seit dem Krieg in der Ukraine nicht mehr zählen.29.11.2022 | 2:27 min
Bei den Kämpfen in den folgenden zwei Tagen wurden etwa 300 Menschen getötet, auf beiden Seiten. Eine von Russland verhandelte Waffenruhe ist brüchig.
Armenier von früherer Schutzmacht Russland enttäuscht
Viele Armenier*innen sind enttäuscht. Russland gilt eigentlich als Schutzmacht des kleinen Landes. Das liegt an der gemeinsamen sowjetischen Vergangenheit, aber vor allem an der russischen Militärbasis im Land und einem gemeinsamen Verteidigungsbündnis, der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, kurz OVKS.
Die allerdings hat die aserbaidschanischen Angriffe nicht mal verurteilt - geschweige denn Hilfe geschickt. "Russland war der wichtigste Sicherheitsgarant in der Region", erklärt der armenische Polit-Experte Tigran Grigorjan.
Die Region Bergkarabach ist schon länger Grund für Konflikte zwischen Armenien und Aserbaidschan.
Quelle: zdf
Lange Streit um Bergkarabach
Armenier und Aserbaidschaner bekämpfen sich seit Generationen. Der Krieg um die Region Bergkarabach liegt erst zwei Jahre zurück. Für einen dauerhaften Friedensvertrag scheint der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan inzwischen bereit, Bergkarabach ganz aufzugeben.
So sagte er in einer Rede im Parlament am 14. September, er würde unpopuläre Entscheidungen treffen, solange es Frieden garantiere für Armenien und sein Territorium von 29.800 Quadratkilometern. 29.800 Quadratkilometer umfasst das Staatsgebiet ohne Bergkarabach - ein deutlicher Hinweis.
Aserbaidschan mit stärkeren Trümpfen
Unklar ist indes, ob Aserbaidschan sich damit zufrieden geben wird. Das rohstoffreiche Land hat die stärkeren politischen Trümpfe. Ein Gas-Deal mit der EU etwa. Enge wirtschaftliche Beziehungen zu Russland und den anderen ehemaligen Sowjetstaaten. Russland liefert auch Waffen.
Unklar auch, ob die Armenier das akzeptieren wollen. Angin Khachatryan hofft, dass es bald Frieden gibt, allein schon für ihren kleinen Sohn und die Kinder, die sie sich noch wünscht. Bergkarabach aufgeben - das täte ihr weh, sagt sie. Eine rote Linie zieht sie, wie viele andere Armenier*innen, wenn ihre Landesgrenzen angegriffen werden.
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