Neue Beauftragte gegen Rassismus: Ataman knapp gewählt
Neue Beauftragte gegen Rassismus:Ataman bekommt Mehrheit - gerade so
von Kristina Hofmann
07.07.2022 | 19:11
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Ferda Ataman hat polarisiert wie selten jemand zuvor. Nun hat der Bundestag sie zur Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes gewählt. Mit nur sieben Stimmen über der Mehrheit.
Ferda Ataman ist die neue Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Quelle: dpa
Lange war sie abgetaucht und hat geschwiegen. Zur Diskussion um die "Kartoffel", zu den Vorwürfen um ihre Person und die offenen Briefe für und gegen ihre Kandidatur. Jetzt hat der Bundestag Ferda Ataman gewählt: Die 42-jährige Stuttgarterin wird neue Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung.
Erleichterung und Zwischenrufe beim Ergebnis
Die Freude und Erleichterung war ihr anzumerken, als im Bundestag das Ergebnis verkündet wurde. Nur sieben Stimmen über der erforderlichen Mehrheit waren es. Eigentlich haben die Ampel-Parteien, wenn alle da sind, einen Vorsprung von gut 50 Stimmen. Dass nicht alle mit ihrer Wahl einverstanden sind, war auch an Zwischenrufen zu hören.
Ataman dankte nach der Wahl vor der Presse für das Vertrauen:
Und diejenigen, die mir ihr Vertrauen nicht schenken konnten, möchte ich gerne mit meiner Arbeit überzeugen.
Ferda Ataman
Dabei gehe es ihr vor allem um die Reform des Antidiskriminierungsgesetzes. Um was genau? Nachfragen nicht zugelassen.
Paus: Stimme für alle, die diskriminiert werden
Ataman kam auf Vorschlag der Grünen ins Amt. Da die Beauftragte gegen Diskriminierung Teil des Bundesfamilienministeriums ist, schlug sie Ministerin Lisa Paus (Grüne) vor. Vier Jahre lang war die Stelle vakant, da es immer wieder Klagen gegen die Besetzung gab. "Ein unhaltbarer Zustand", sagte Paus, der nun beendet sei. Ataman werde eine "Stimme für alle Menschen sein, die in diesem Land diskriminiert werden." Genau daran gab es vor der Wahl Zweifel.
Ferda Ataman, 1979 in Stuttgart geboren, studierte Politik und war unter anderem im Familien- und Integrationsministerium von Nordrhein-Westfalen tätig. Von 2010 bis 2012 hat sie die Öffentlichkeitsarbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes geleitet. Später baut sie die Neuen deutschen Medienmacher mit auf, eine Plattform für Journalisten mit Migrationshintergrund. Zuletzt gründet die Buchautorin und Kolumnistin ein Beratungsunternehmen für Diversität.
Beides gab es: Offene Briefe zur Unterstützung, offene Briefe gegen ihre Wahl, manche sprachen von einer Kampagne und Verleumdung gegen sie. Ihre Kritiker warfen ihr vor, die Journalistin habe Deutsche ohne Migrationshintergrund als "Kartoffel" bezeichnet. Sie verharmlose Clan-Kriminalität und sei antisemitisch, sie spalte statt zu integrieren. Ihre Verteidiger sagen, die Vorwürfe sind alle falsch.
Noch während des Wahlgangs im Bundestag versuchte die Union, Druck auf die FDP zu machen. Zum Beispiel der CSU-Abgeordnete Florian Hahn:
Oder der CDU-Abgeordneter Jan-Marco Luczak:
Die seit 2006 bestehende Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat die Aufgabe, durch Forschung und Öffentlichkeitsarbeit über Rassismus und Diskriminierung aufzuklären und Betroffenen zu helfen. Die Antidiskriminierungsstelle selbst ist im Bundesfamilienministerium angesiedelt. Die Leitung der Behörde ist seit über vier Jahren vakant und wird von dem Juristen Bernhard Franke kommissarisch geleitet.
FDP gespalten
Vor allem FDP-Abgeordnete wie Linda Teuteberg waren gegen Ataman, die FDP-Minister im Kabinett hingegen eher dafür. Vize-Bundestagspräsident Wolfgang Kubicki sagte, es lohne sich nicht, wegen Ataman einen Streit innerhalb der Koalition anzuzetteln. Auf Druck der FDP-Fraktion musste die Wahl aber um zwei Wochen verschoben werden, weil die Kandidatin sich noch einmal bei den Fraktionen vorstellen sollte.
Diese Woche versuchte nun die AfD-Fraktion, die Wahl Atamans zu verhindern. Sie sei eine "Hasspredigerin" und "diskriminiere" die Deutschen. Dafür hätte die AfD wiederum die Stimmen der Union gebraucht, die aber für die Wahl, allerdings gegen die Kandidatin war. Ataman "spalte" statt zusammenzuführen, so Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion.
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