Das EU-Parlament hat gebilligt, dass Atom und Gas zeitweise als nachhaltige Energieträger eingestuft werden. Damit schwächt die EU sich selbst und den Kampf gegen die Klimakrise.
Nachhaltigkeit ist ein sehr strapaziertes Wort - und es ist vor allem nicht klar definiert, was darunter zu verstehen ist. Unternehmen werben mit ihrer Nachhaltigkeit und machen sich manchmal grüner, als sie wirklich sind. Anbieter von Geldanlagen versprechen, nur noch in nachhaltige Unternehmen und Projekte zu investieren.
Was ist nachhaltig und was nicht? Mit der Taxonomie versucht sich die EU an einer Definition. Es soll eine Art Gütesiegel für nachhaltige Finanzprodukte geschaffen werden und damit mehr Transparenz für Anlegerinnen und Anleger entstehen. Die Taxonomie ist also für die Entscheidung, was in ein nachhaltiges Portfolio darf und was nicht, von großer Bedeutung.
Die heutige Entscheidung des EU-Parlaments kann nur als eine offizielle Empfehlung für Investitionen in Atomkraftwerke und Gasprojekte verstanden werden. Dabei planen angesichts der Klimakrise inzwischen selbst große Banken, freiwillig aus der Finanzierung von fossilen Energieträgern auszusteigen. Und nun soll Gas plötzlich als "nachhaltige" Anlageform gelten?
Das EU-Parlament hat den Weg freigemacht, Investitionen in Erdgas und Atomkraft unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig einzustufen.
Fossile Energie nicht geeignet, um 1,5-Grad-Ziel zu erreichen
Die ursprüngliche Bedeutung von "nachhaltig", bevor es ein zentraler Begriff in der Umweltpolitik wurde, ist laut Duden: "sich auf längere Zeit stark auswirkend". Das Verbrennen von Gas wirkt sich auf längere Zeit sehr stark aus - allerdings negativ: Es werden klimaschädliche Treibhausgase ausgestoßen. Gas erzeugt zwar weniger klimaschädliche Emissionen als Kohle und ist deshalb als kurzfristige Übergangslösung die bessere Wahl. Aber für "längere Zeit" sind fossile Energieträger generell nicht geeignet, wenn das 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch erreicht werden soll.
Atomkraft erzeugt im laufenden Betrieb immerhin gar kein CO2, dafür aber radioaktive Abfälle, deren dauerhafte Lagerung bis heute ungeklärt, also nicht gerade nachhaltig ist. Zudem ist Uran als Rohstoff endlich, so dass auch die Nutzung der Atomkraft irgendwann zu Ende sein dürfte.
Das EU-Parlament hat beschlossen, dass Gas und Atomkraft als nachhaltige Energien gelten. Einschätzungen zu dieser Entscheidung von ZDF-Korrespondent Gunnar Krüger.
Schlechte Verhandlungsposition für EU
Wenn die EU andere Länder wie China oder Indien vom Ausstieg aus fossilen Energien überzeugen will, dürfen die eigenen Investitionen in fossile Energieträger nicht erhöht, sondern müssen massiv reduziert werden. Für eine starke Verhandlungsposition muss das eigene Vorgehen konsistent und glaubwürdig sein.
Die Industriestaaten hatten bei der UN-Klimakonferenz 2021 in Glasgow dem Rest der Welt versprochen, ab Ende 2022 nicht mehr in fossile Energie im Ausland zu investieren. Die G7-Staaten haben ihr Versprechen letzte Woche unter Verweis auf die Energiekrise wieder zurückgenommen - schon bevor der Investitionsstopp überhaupt in Kraft treten konnte. Die heutige Entscheidung des EU-Parlaments ist ein weiterer Schritt in diese Richtung: weg von der Glaubwürdigkeit.
- Unabhängiger werden von Öl und Gas - nur wie?
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