Am ukrainischen AKW Saporischschja hat es einen Brand gegeben. Die IAEA hat sich eingeschaltet. Regionalen Behörden zufolge wurde das Kraftwerk von russischen Truppen eingenommen.
Die russische Armee hat Europas größtes Atomkraftwerk im ukrainischen Saporischschja angegriffen und dort einen Brand ausgelöst. Nach Behördenangaben brach in einem Gebäude in der Nacht ein Feuer auf – im ganzen Land gehen die Kämpfe weiter.
Nach dem Vorrücken russischer Truppen zu Europas größtem Atomkraftwerk in der Nähe der Großstadt Saporischschja brach ein Feuer in einem Gebäude der Anlage aus. Laut ukrainischem Zivilschutz konnten Feuerwehrleute am frühen Morgen den Brand jedoch löschen. Von russischer Seite gab es keine Bestätigung für einen angeblichen Beschuss.
Russische Truppen hätten jedoch die Kontrolle über die Anlage übernommen, teilten regionale Behörden in sozialen Medien mit. Personal des Atomkraftwerks gewährleiste den sicheren Betrieb.
Nach Angaben der Feuerwehr ließen russische Soldaten die Löschtrupps zunächst nicht zum Brandort durch. Erst nach Stunden erhielten Feuerwehrleute demnach Zugang. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Russland "Nuklear-Terrorismus" vor. Das russische Verteidigungsministerium hingegen machte für den Angriff auf das Atomkraftwerk Saporischschja "ukrainische Saboteure" verantwortlich. Dies sei eine monströse Provokation.
Internationale Atomenergiebehörde: Sicherheit "nicht beeinträchtigt"
Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien wurde zu dem Vorfall am AKW Saporischschja eingeschaltet. Direktor Rafael Mariano Grossi erklärte auf einer Pressekonferenz, dass er bereit sei, persönlich zum ukrainischen Atomkraftwerk zu reisen, um vor Ort die Sicherheit der Anlage zu prüfen.
Bei seinen Bemühungen handele es sich nicht um eine mögliche politische Vermittlung zwischen den Kriegsparteien, betonte Grossi. Es gehe allein um die Sicherheit der Atomanlagen in der Ukraine. Möglich sei auch ein Besuch in Tschernobyl.
Grossi sagte weiter, das in der Anlage eingeschlagene Projektil stamme von den russischen Streitkräften. Der Reaktor sei dabei aber nicht beschädigt worden. Die Sicherheit der Anlage sei nicht beeinträchtigt, Radioaktivität sei nicht ausgetreten, betonte Grossi. Die Lage sei zwar angespannt, das Kraftwerk sei aber funktionsfähig und laufe derzeit mit 60 Prozent seiner Kapazität. Bei den Vorfällen seien zwei Beschäftigte verletzt worden.
Betreiber misst keine erhöhte Radioaktivität
Auf einer Videoübertragung einer Überwachungskamera war das Feuer in der Nacht an einem Nebengebäude des Kraftwerks zu erkennen.
Der ukrainische Außenministers Dmytro Kuleba warnte auf Twitter eindringlich vor den Gefahren am AKW: "Wenn es explodiert, wird das zehnmal größer als Tschernoby."
Brand am AKW Saporischschja: Deutsche Reaktionen
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat mit großer Besorgnis auf den russischen Angriff auf das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja reagiert. Der Brand in der Anlage zeige, "wie gefährlich die Situation ist", sagte Scholz bei einem Besuch des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Schwielowsee.
Kurz zuvor hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) den russischen Angriff verurteilt. Sie rief Putin auf, das internationale Recht zu achten:
Derweil informieren auch das Bundesumweltministerium (BMUV) und das Bundesamt für Strahlenschutz auf ihren jeweiligen Webseiten fortlaufend über eine mögliche Gefährdungslage.
Experte Masala: "Versuch Kontrolle zu erlangen"
Carlo Masala, Professor an der Universität der Bundeswehr in München, erklärt im "ZDF-Mittagsmagazin", dass die russische Soldaten zwar wissen, worauf sie schießen - aber, man müsse auch sagen, dass sie nicht auf den Reaktor, sondern auf Nebengebäude geschossen hätten.
Laut Masala war es "nicht intendiert, dieses Kernkraftwerk zur Explosion zu bringen." Denn man müsse sehen: "Geografisch - es steht in der Nähe von Russland. Je nachdem, wie der Wind gestanden hätte, wäre der Fallout auch nach Russland gezogen, und hätte die Russen in Mitleidenschaft gezogen."
In der Ukraine haben russische Truppen in der Nacht Europas größtes Atomkraftwerk beschossen. "Ich glaube nicht, dass es intentional geplant war, den Reaktor in die Luft zu jagen", so Politikwissenschaftler Carlo Masala (Universität Bundeswehr München).
Weiter erklärt Masala: "Es war natürlich nicht der klügste Schritt, den die russische Armee unternommen hat. Das hätte auch schiefgehen können. Aber ich glaube nicht, dass es intentional geplant war, den Reaktor in die Luft zu jagen." Der Beschuss sei ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht.
US-Präsident Biden telefoniert mit Selenskyj wegen AKW
US-Präsident Joe Biden forderte Russland auf, seine militärischen Aktivitäten in dem Gebiet um das Kernkraftwerk Saporischschja einzustellen. In einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj habe Biden sich "über den aktuellen Stand des Brandes" in der Atomanlage erkundigt, teilte das Weiße Haus am Donnerstagabend (Ortszeit) mit.
Der britische Premierminister Boris Johnson wollte nach Angaben seines Büros wegen des Zwischenfalls in der Atomanlage eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats beantragen. Sein Büro erklärte, Johnson habe am Freitagmorgen mit Selenskyj gesprochen.
- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.
Wie konnte es zu diesem Konflikt überhaupt kommen? Ein Blick zurück in die Historie:
- Chronik: Wie konnte die Lage so eskalieren?
Nato-Osterweiterung, Maidan-Proteste, Krim-Annexion: Entdecken Sie im Zeitstrahl die Hintergründe des Russland-Ukraine-Konflikts.