Laut einem Pressebericht stellen sich Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke gegen längere Laufzeiten. Auch die Kraftwerksbetreiber sind skeptisch.
Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) sind trotz möglicher Energieversorgungsengpässe wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine gegen eine Laufzeitverlängerung der verbliebenen Atomkraftwerke.
"Im Ergebnis einer Abwägung von Nutzen und Risiken ist eine Laufzeitverlängerung der drei noch bestehenden Atomkraftwerke auch angesichts der aktuellen Gaskrise nicht zu empfehlen", zitierten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe aus einem gemeinsamen Prüfvermerk des Wirtschafts- und des Umweltministeriums.
Sonderkonferenz der Energieminister
Am Dienstag kommen die deutschen Energieminister zu einer Sonderkonferenz zusammen, um über die Energiesicherheit nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zu beraten.
Der ukrainische Präsident Selenskyj hat unter anderem dazu aufgerufen russisches Öl zu boykottieren. Doch Deutschland ist bei der Energieversorgung weiter von Russland abhängig.
Aus dem Wirtschaftsministerium hieß es den Funke-Zeitungen zufolge: "Eine Verlängerung der Laufzeiten könnte nur einen sehr begrenzten Beitrag zur Lösung des Problems leisten, und dies zu sehr hohen wirtschaftlichen Kosten. Der Staat müsste hier in großem Umfang Risiken übernehmen. Dies steht in keinem Verhältnis."
Bericht: "Keine zusätzlichen Strommengen"
Die Regierung treffe seit Wochen intensive Vorkehrungen, damit die Gasspeicher gefüllt und Reserven an Kohle angelegt würden, so das Wirtschaftsministerium. Auch die Unternehmen diversifizierten die Importe. Damit sei Deutschland "auch bei Lieferreduktionen für die nächsten Monate gut aufgestellt". Zudem treibe Habecks Ministerium den Ausbau der erneuerbaren Energien intensiv voran und werde in Kürze eine Strategie zur Energiesicherheit vorlegen.
Muss Deutschland auf Kohle und Atomkraft setzen, um unabhängig von russischem Gas zu werden?
Ein Wiederanfahren bereits stillgelegter Kernkraftwerke komme schon aufgrund der erloschenen Betriebserlaubnis nicht in Betracht, zitieren die Funke-Zeitungen aus dem Prüfvermerk. Eine Verlängerung der Laufzeiten der noch in Betrieb befindlichen drei Atomkraftwerke würde im Winter 2022/2023 keine zusätzlichen Strommengen bringen, sondern frühestens ab Herbst 2023 nach Befüllung mit neu hergestellten Brennstäben.
Kraftwerksbetreiber: Hürden "sehr hoch"
In einem Bericht der "Rheinischen Post" zeigten sich auch die deutschen Atomkonzerne skeptisch, dass sich befürchtete Engpässe beim Gas- und Kohleimport schnell durch längere Laufzeiten der Kernkraftwerke ausgleichen ließen. Eine Sprecherin von PreussenElektra, eine Eon-Tochterfirma, wies darauf hin, dass die Lieferung neuer Brennstäbe lange dauern würde. "Nach einer ersten Abschätzung gehen wir davon aus, dass frische Brennelemente in gut 1,5 Jahren zur Verfügung stehen könnten", sagte sie der Zeitung.
Es sei unberechenbar, was Putin weiter tut, so Außenministerin Baerbock. Sanktionen, die jetzt auf den Weg gebracht werden, müssten allerdings auch langfristig von Deutschland und seinen Partnern durchhaltbar sein.
Eine RWE-Sprecherin sagte dem Blatt: "Am Ende ist es an der Politik, über eine mögliche Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke zu entscheiden. Die genehmigungsrechtlichen und technischen Hürden für eine Verlängerung wären allerdings sehr hoch."
Bayern prüft Ausstiegs-Aufschub
Zum Jahreswechsel sind die Kernkraftwerke Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen vom Netz gegangen. Strom liefern seither nur noch die Meiler Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2, die Ende diesen Jahres abgeschaltet werden sollen.
Kürzlich hatte Bayern angekündigt, einen Aufschub des Atomausstiegs zum Jahresende sowie sogar die Wiederinbetriebnahme eines bereits abgeschalteten Akw prüfen zu wollen.
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