Putin hat die Atomstreitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Was das nun heißt - und welche Unterschiede es bei Atomwaffen gibt.
Vor dem Hintergrund des russischen Kriegs in der Ukraine versetzte der russische Präsident Wladimir Putin am Sonntag sogenannte "Abschreckungskräfte" in Alarmbereitschaft - dazu gehören auch Atomwaffen. Was heißt das eigentlich?
Wie ist die Hochstufung in "Alarmbereitschaft" einzuschätzen?
Militärische Großmächte haben unterschiedliche Stufen der Mobilmachung ihrer Streitkräfte. Die USA haben fünf Stufen, Russland hat vier. Militärexperte und Politologe Carlo Masala sagt zu ZDFheute: "Russland hat nun die zweite Stufe ausgerufen - wir stehen also nicht vor einem Atomkrieg." Laut Masala sehen die russischen Stufen so aus:
- Stufe 1: Friedenszeit - es gibt Waffen, aber es passiert nichts
- Stufe 2 - erhöhte Alarmbereitschaft, die Einheiten bleiben zum Beispiel dauerhaft in den Kasernen, damit sie schnell reagieren können
- Stufe 3 - Militärische Gefahr - Waffen werden scharf gemacht, Sprengköpfe und Raketen zusammengeführt
- Stufe 4 - Krieg mit Nuklearwaffen
Wie könnte Putin einen Atomschlag auslösen?
Um eine russische Atomwaffe auslösen zu können, sind die Atomkoffer und die darin enthaltenen Codes nötig. Offiziell gibt es in Russland drei solcher Koffer: einen hat Präsident Putin, einen der Verteidigungsminister Sergei Shoigu und einen der Chef des Generalstabs. Die Autorisierung der Waffen würde gemeinsam erfolgen. Wie genau das abläuft, ist nicht ganz klar.
Militärexperten verweisen auf eine US-amerikanische Studie von 2019. Demnach mussten bis 1991 der Präsident und der Verteidigungsminister zwei separate Codes schicken, zu denen der Chef des Generalstabs seinen Code hinzufügen musste. Ob das tatsächlich noch so ist, ist aber unklar.
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Welche Arten von Atomwaffen gibt es?
Atomwaffe ist nicht gleich Atomwaffe. Unterscheiden lassen sich taktische von strategischen:
- Strategische Atomwaffen können aufgrund ihrer Trägersysteme mehr als 5.500 Kilometer Distanz zurücklegen (etwa von Moskau nach Washington) und haben auch eine größere Detonationskraft.
- Taktische können demnach nicht so weit fliegen und haben weniger Sprengkraft.
- Grundsätzlich kann man die Sprengköpfe noch vom Trägersystem unterscheiden - also dem Mittel, das die Waffe zum Ziel bringt. Trägersysteme sind seegestützt (z.B. Atom-U-Boote), landgestützt (z.B. vom Festland abgeschossene Interkontinentalrakete) oder luftgestützt (z.B. ballistische Rakete aus Flugzeug gestartet).
Wie wahrscheinlich ist es, dass Putin eine Atomwaffe zündet?
Expertinnen und Experten halten einen Nuklearschlag für unwahrscheinlich. Militärexperte Masala sagte ZDFheute:
Der Nuklear-Experte James Acton sagte dem "Spiegel":
Im ZDF-Mittagsmagazin sagte Erich Vad, ehemaliger deutscher Brigade-General und Merkel-Berater: "Eine große Sorge muss man sich nicht machen. Wenn Putin zu diesem letzten Mittel jetzt schon greift, argumentativ, und es ins Spiel bringt, zeigt das eher, dass er verunsichert ist."
Die Professorin für Internationale Beziehungen, Marina Henke, sagte ZDFheute:
Sollte Putin tatsächlich eine Nuklearwaffe einsetzen, könnte er eine kleinere taktische Bombe in einer unbewohnten Gegend wie dem Schwarzen Meer oder der Ostsee einschlagen lassen, so Henke.
Könnte das Militär nicht auch einen Einsatz von Nuklearwaffen verhindern?
Selbst wenn Putin den Einsatz von Atomwaffen anordnen würde - was sehr unwahrscheinlich ist - dann müssten bestimmte Vorgänge erst einmal ausgeführt werden, sagt Militärexpertin Henke.
Entscheidend wäre auch die Frage, wie der Westen reagiert. Derzeit laufen Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine in Belarus. Aktuelle Meldungen dazu finden Sie auch in unserem Liveblog:
Liveblog- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.