Ukraine-Krieg: Wie Kiew seine Armee-Probleme beheben will
Analyse
Neue Führungs- und Kommandoebene:Wie Kiew seine Armee-Probleme beheben will
von Christian Mölling und András Rácz
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Schon länger werden Schwächen in der Struktur der ukrainischen Armee kritisiert - eine neue Führungsebene soll das ändern. Welche Probleme dadurch gelöst werden könnten.
In der ukrainischen Armee sollen neue Armeekorps strukturelle Probleme lösen.
Quelle: pa/dpa-Bildfunk
Die Ukraine hat am 3. Februar die Schaffung von Armeekorps als neue, höhere Kommandoebene angekündigt. Ein Armeekorps soll sich aus fünf bis sechs mechanisierten Brigaden sowie Panzer-, Flugabwehr-, Artillerie-, Drohnen-, Nachrichtendienst-, Logistik-, Ingenieur- und anderen Unterstützungskomponenten zusammensetzen. Ein Armeekorps soll bei voller Besetzung und Ausrüstung etwa 50.000 Soldaten umfassen.
Die Korpsstruktur ist für die ukrainischen Streitkräfte nicht völlig neu. Es gibt bereits sechs Korps - vier Armeekorps, ein Schnellreaktionskorps der Luftstreitkräfte und ein Marinekorps -, aber die meisten Armeeeinheiten sind noch in Brigaden organisiert.
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Ukrainische Armee: Kritik an fehlender Führungsebene
Das Fehlen einer Führungs- und Kommandoebene direkt über der Brigadeebene ist eine seit Langem kritisierte Schwäche der ukrainischen Streitkräfte. Seit Beginn der großangelegten russischen Invasion waren die Brigaden die dominierende, zentrale Organisationseinheit der ukrainischen Streitkräfte.
Mit der neuen Führungsebene sollen drei Probleme angegangen werden:
1. Fehlende Koordinierung der ukrainischen Kampfeinheiten
Das Hauptproblem bestand darin, dass über den Brigaden als nächster Führungs- und Kommandoebene die operativen Kommandos und Armee-Gruppen standen, die für zehn bis 15, manchmal sogar für mehr Brigaden zuständig waren, zu denen ein ungleicher Mix aus Bodentruppen, Territorialverteidigungseinheiten, einzelnen Regimentern und anderen Einheiten gehörten.
Quelle: DGAP
... leitet das Programm "Europas Zukunft" für die Bertelsmann Stiftung in Berlin. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Die effektive Koordinierung der Arbeit von so vielen verschiedenen Verbänden überstieg eindeutig die Kapazitäten der operativen Kommandos. Es kam häufig vor, dass selbst zwischen nebeneinander kämpfenden Brigaden keine ordnungsgemäße Koordinierung stattfand, da das übergeordnete Kommando nicht in der Lage war, in Echtzeit eine angemessene Führung durchzuführen.
Koordinationsprobleme spielten eine wesentliche Rolle bei der Niederlage von Soledar Anfang 2023, dem Fall von Wuhledar Ende 2024 und in vielen anderen Fällen.
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2. Mangel an Ausrüstung für Kampfunterstützung
Außerdem fehlte es den meisten Brigaden an angemessener Kampfunterstützung und an Unterstützungselementen wie Aufklärung, fähigen Drohneneinheiten, Technik oder Logistik. Selbst, wenn eine gut ausgerüstete Brigade über einige Bagger oder andere Pioniermaschinen verfügt (was bei den meisten nicht der Fall ist), fehlt es ihr an der entsprechenden Spezialausrüstung, die für die Vorbereitung sekundärer Verteidigungslinien erforderlich ist.
Die Führungsstäbe haben ständig damit zu kämpfen, die Bedürfnisse aller Brigaden, die sie befehligen mussten, unter einen Hut zu bringen. Es gelang oft nicht, die erforderliche Kampfunterstützung rechtzeitig bereitzustellen.
Die Einführung von Armeekorps wird hoffentlich auch der äußerst schädlichen Praxis ein Ende setzen, Brigaden in kleinere Einheiten aufzuteilen und sie an verschiedene Frontabschnitte zu schicken.
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Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Bataillon einer Brigade in Kursk kämpft, während das andere Bataillon in der Region Donezk eingesetzt wird, und sich das dritte Bataillon derselben Brigade irgendwo im Süden befindet. Die derzeitige Praxis verringert die Absprache der Einheiten und damit sowohl die Kampfkraft als auch die Überlebensfähigkeit.
Stabspersonal entscheidend für militärischen Erfolg
Die wichtigste Qualität ist die der Stabsoffiziere, die die Hauptquartiere der neuen Armeekorps befehligen und besetzen werden. Wenn diese Posten von reaktivierten, oft unerfahrenen, im sowjetischen System ausgebildeten Offizieren besetzt werden, dürften größere Effizienzgewinne ausbleiben.
Wird die neue Führungsebene jedoch von jüngeren, besser ausgebildeten und erfahrenen Kommandeuren geleitet, die die unterstellten Brigaden kennen und denen sie vertrauen, können die Armeekorps das Potenzial der ukrainischen Landstreitkräfte erheblich verbessern.
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Eine bessere Führung kann auch die Effizienz der Rekrutierungs- und Mobilisierungsbemühungen verbessern, wenn die neuen Rekruten mehr Vertrauen in die Befehlshaber fassen. Es wird jedoch Monate dauern, bis sich diese Auswirkungen bemerkbar machen.
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