Was Belgiens neue Regierung unter Bart de Wever will

    Europas Nationalisten im Aufwind:Was Belgiens neue Regierung will

    Eine Frau mit braunen Haaren lächelt in die Kamera.
    von Lara Wiedeking, Brüssel
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    Nach über 200 Tagen endlich die Nachricht: Belgien hat eine Regierung. Doch was für eine? Mehr Atomkraft, mehr Verteidigung – ein Blick auf die erste Woche.

    Belgien, Brüssel: Premierminister Bart De Wever spricht während einer Plenarsitzung
    Belgiens neuer Premierminister Bart de Wever will mehr Atomkraft und weniger Sozialstaat.
    Quelle: dpa

    Es war ein zähes Ringen. Nach der Wahl am 9. Juni gab es keine klare Tendenz - nur so viel war klar: Wie schon nach der letzten Wahl würden sich mehrere Parteien zu einem Bündnis zusammenraufen müssen.
    Fünf Stück haben das getan, nach fast acht Monaten Verhandlung. Voran stehen die flämischen Nationalisten der Partei N-VA (deutsch: Neu-flämische Allianz). Sie führt zum ersten Mal die belgische Regierung an.
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    Seit Montag ist der neue Regierungschef, Bart de Wever, im Amt. "Und jetzt an die Arbeit", postete der 54-Jährige auf dem Kurznachrichtendienst X auf flämisch, französisch und deutsch, den drei Amtssprachen des Landes.
    Und er machte ernst: Nur zwei Stunden später ist er auf dem EU-Gipfel der 27 Staats- und Regierungschefs aufgetreten. Dort erklärte de Wever direkt, dass sein Land zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben will, wie vorgegeben in der Nato. Derzeit liegt Belgien bei um die 1,3 Prozent. Außerdem kündigte de Wever einen härteren Kurs bei Migration an.



    Rechtsruck in Belgien nicht befürchtet

    In der Vergangenheit haben de Wever und seine Partei N-VA für die Unabhängigkeit der Region Flandern geworben. Noch heute steht auf der deutschsprachigen Webseite der Partei: "Unser Endziel ist tatsächlich ein unabhängiges Flandern als Mitgliedstaat von Europa."
    Ein großer Rechtsruck wird nicht befürchtet, da die anderen vier Parteien der Koalition stärker zu Mitte gehören - "Arizona" nennt sich diese Koalition, nach den Farben der Flagge des US-amerikanischen Bundesstaates:
    • die liberale Partei MR aus der französischsprachigen Wallonie
    • die flämischen Sozialdemokraten
    • die Christdemokraten aus beiden Landesteilen.
    Trotzdem: Die N-VA gilt als europakritisch, möchte der EU Kompetenzen entziehen und den Nationalstaaten mehr Macht geben. Die N-VA gehört auf EU-Ebene zur rechts-populistischen Fraktion ECR, wie die Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni.
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    Neue belgische Regierung will weniger Sozialstaat und mehr Atomkraft

    Vor einigen Tagen verkündete die Regierung, sie wollte den Ausstieg aus der Atomkraft zurückdrehen. Heißt konkret: Die Laufzeit von bestehenden Reaktoren soll verlängert werden. Außerdem soll es neue Kernkraftwerke geben. Belgiens neuer Energieminister, Mathieu Bihet, hat in den sozialen Medien einen Post geteilt, in dem er "Atomic Bihet" genannt wurde. Einige der Reaktoren stehen an der Grenze zu Deutschland.
    Der Staat solle "sich auf die Kernaufgaben konzentrieren", darum ist mit drastischen Einschnitten in den Sozialstaat zu rechnen. Auch, um eine der größten Aufgaben zu lösen: die Staatsverschuldung. Laut Statistischem Bundesamt lag die Schuldenquote 2023 bei rund 103 Prozent des Bruttoinlandsproduktes - zum Vergleich: Deutschland liegt bei rund 60 Prozent.
    Und die Tendenz sei steigend. Am Budget sind die Koalitionsverhandlungen in den vergangenen Wochen auch immer wieder gescheitert. Nur ein Ultimatum des Königs, die Androhung von Neuwahlen, konnte jetzt wohl zu einer Einigung führen.
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