Handyverbot an Schulen: Brasilien greift landesweit durch

    Brasilien geht voran:Handyverbot an Schulen: Auch für Deutschland?

    von Mia Veigel, Rio de Janeiro
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    Brasilien verbietet landesweit Handys an Schulen - mit ersten Erfolgen, aber auch Herausforderungen. Was Deutschland davon lernen kann.

    An einer Glastür klebt ein Verbotsschild mit der Aufschrift: "Handyverbot".
    In Brasilien gilt nun ein Handyverbot an Schulen. Während Lehrkräfte erste Erfolge sehen, bleibt die Umsetzung herausfordernd. Kann Deutschland von den Erfahrungen profitieren?
    Quelle: dpa

    Es ist kurz vor acht und der erste Schultag nach den Ferien in Brasilien. Die 14-jährige Gaia Rodrigues betritt den Schulhof des Colégios Sagrado Coraçao Maria in Rio de Janeiro und stellt sich zu ihren Freundinnen. Nach und nach treffen immer mehr Kinder und Jugendliche in blau-weißen Schuluniformen ein, niemand von ihnen hält ein Handy in der Hand. Dafür gibt es einen Grund: das neue Handyverbot. Wie gut funktioniert es?

    Lula da Silva: Verbot soll Gesundheit schützen

    Während Gaias 11-jähriger Bruder Dante verärgert darüber ist, befürwortet die Neuntklässlerin die neue Maßnahme: "Alle haben im Unterricht ihr Handy benutzt, versteckt unterm Tisch oder Büchern. Ich finde es jetzt besser so", sagt sie.
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    Im Januar hatte Präsident Lula da Silva das neue Gesetz unterzeichnet, das die Nutzung von Handys während des Schulunterrichts und in den Pausen landesweit verbietet. Ziel ist es, ein ausgewogenes Schulumfeld zu schaffen und die physische und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu schützen.

    Deutschland ist gespalten in der Debatte um ein Handyverbot

    Auch in Deutschland wird ein solches Verbot diskutiert. Bisher gibt es aber keine einheitliche Regelung und es ist den Bundesländern und Schulen überlassen, wie sie damit umgehen. Bayern und Baden-Württemberg lehnen ein generelles Handyverbot derzeit ab. Hessens Kultusminister Armin Schwarz plädiert dagegen für einheitliche Handy-Regeln, die bei der nächsten Bildungsministerkonferenz im März 2025 diskutiert werden sollen.
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    Studien sind sich dagegen einig: Übermäßige Smartphone-Nutzung schadet der Konzentration und kann zu Schlafstörungen sowie psychischen Belastungen führen. Laut der Postbank Jugend-Digitalstudie aus 2023 verbringen Jugendliche in Deutschland jede Woche durchschnittlich knapp 37 Stunden am Smartphone. Das entspricht über fünf Stunden täglich. 237 Benachrichtigungen erhalten sie durchschnittlich pro Tag, von denen etwa ein Viertel während der Schulzeit eingehen. Das zeigt eine Studie der Non-Profit-Organisation Common Sense Media.

    Auswirkungen von Handys auf das Gehirn

    Was das Handy mit dem Gehirn von Kindern macht, damit beschäftigt sich Dr. Daniel Becker, Kinderarzt in Rio de Janeiro und Experte beim Thema Medienkonsum. "Das unendliche Scrollen von kurzen Videos trainiert das Gehirn, alle 15 bis 30 Sekunden unterhalten zu werden", erklärt er im ZDF-Interview. Die Folge: Es wird schwer, einer Unterrichtsstunde zu folgen, einem Lehrer zuzuhören oder auch nur die Episode einer Serie zu schauen.
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    "Kinder und Jugendliche brauchen echte Erfahrungen in der realen Welt, um sich zu entwickeln", bekräftigt Becker. Indem man das Handy aus der Schule verbanne, gebe man Kindern wichtige Stunden, um die reale Welt zu erleben, ohne durch ständig eingehende Benachrichtigungen abgelenkt zu werden.

    Erfolge und Hindernisse an brasilianischen Schulen

    Einige brasilianische Schulen haben schon vor dem Gesetz ein Handyverbot umgesetzt und damit gute Erfahrungen gemacht.

    Viele Lehrkräfte sagen, dass seitdem ein viel besseres Unterrichtsklima herrscht.

    Adriano Ferreira Silva, Lehrer vom Colégio São Vicente

    Aber auch die soziale Interaktion während der Pausen habe sich deutlich zum Positiven gewandelt. In einzelnen Fällen hätten Kinder und Jugendliche sogar ihre Leistungen verbessert.
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    Dennoch bringt das Handyverbot auch Herausforderungen mit sich. Während einige Schulen bisher nur eine Empfehlung aussprechen, das Handy zu Hause oder im Schulranzen zu lassen, haben andere konkrete Regelungen eingeführt.
    "Wir haben Boxen außerhalb der Klassenzimmer aufgestellt, wo die Handys aufbewahrt und am Ende des Tages wieder abgeholt werden können", sagt Silva. So werde der Unterricht auch nicht durch das ständige Eingehen von Nachrichten gestört. Für Kinderarzt Becker ist klar: Ein Kind, das das Handy in der Tasche behält, wird es früher oder später auch benutzen.

    Icon von whatsapp
    Quelle: dpa

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