Cannabis als Exportschlager:Blühende Cannabis-Geschäfte in Portugal
von Tilo Wagner, Lissabon
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Kein anderes Land in Europa exportiert so viel Cannabis für die medizinische Nutzung wie Portugal. Doch der Anbau-Boom hilft den Patienten in Portugal nicht viel.
Seit 2019 läuft der Anbau. Mittlerweile ist Portugal der zweitgrößte Produzent von medizinischem Cannabis weltweit. Exportiert wird vor allem nach Deutschland und Spanien.04.02.2025 | 2:08 min
Stacheldraht, Sicherheitsschleuse, Überwachungskameras: Das Gewächshaus vor den Toren Lissabons unterliegt strengen Sicherheitsvorkehrungen. Denn im Innern der vollklimatisierten Anlage wachsen Tausende von Cannabis-Pflanzen das ganze Jahr über unter idealen Bedingungen.
Ein idealer Standort für Cannabis
"Portugal eignet sich gut für die Cannabis-Produktion, weil die hohe Anzahl von Sonnentagen für den Anbau ideal ist, und weil die Arbeitskosten geringer sind als in vielen anderen europäischen Staaten", sagt Nuno Mendonça vom US-amerikanischen Unternehmen Curaleaf dem ZDF. Das Unternehmen hat rund 100 Mitarbeiter eingestellt, die überwiegend in Thailand rekrutiert wurden.
Neue Heilmethoden sollten gefördert werden
Der Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke ist in Portugal seit 2019 erlaubt. Dahinter stand auch die Idee, neue Heilmethoden zu fördern: "Wir haben die Rahmenbedingungen geschaffen, um den Patienten den Zugang zu Medikamenten zu erleichtern, die auf Cannabis basieren", sagt Vasco Bettencourt von der staatlichen Regulierungsbehörde INFARMED.
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Portugiesischer Exportschlager
Der Plan ging zumindest teilweise auf: Zwischen 2019 und 2024 stieg die Zahl der Cannabis-Großproduzenten von einem auf 40 Unternehmen, darunter auch mehrere deutsche Firmen. Im vergangenen Jahr exportierte Portugal über 20 Tonnen getrocknete Cannabis-Blüten und stieg damit zum weltweit zweitgrößten Produzenten auf.
Patienten in Portugal profitieren nicht
Für die Patienten in Portugal ändere das jedoch wenig, sagt Carla Dias von der unabhängigen Beobachtungsstelle für medizinischen Cannabis OPCM: "Die Cannabis-Produzenten haben bislang wenig Interesse gezeigt, die Medikamente in Portugal zu entwickeln."
Sie exportieren fast die gesamte Ernte ins Ausland. Und das führt dazu, dass sich die Lage für die Patienten in Portugal nicht spürbar ändert.
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Carla Dias, Beobachtungsstelle für medizinischen Cannabis OPCM
Das läge aber auch am medizinischen Personal, sagt Dias. Die Vorteile von Cannabispräparaten, zum Beispiel in der Palliativmedizin, seien wissenschaftlich nachgewiesen, aber vielen portugiesischen Ärzten würden die nötigen Informationen fehlen, um die Patienten mit den richtigen Produkten zu behandeln.
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Cannabis-Präparate nur für Privatpatienten
Der Neurologe Nuno Canas verschreibt in einer Klinik in Lissabon auf Cannabis basierende Medikamente und nutzt sie etwa bei der Behandlung von Epilepsie. Canas verschreibt die Präparate jedoch fast ausschließlich Privatpatienten. "Der Staat beteiligt sich an den Kosten herkömmlicher Medikamente mit bis zu 90 Prozent. Doch diese Beteiligung gibt es für Cannabis-Präparate bislang nicht."
Die meisten Patienten haben deshalb nicht genügend Geld, um diese Medikamente zu kaufen.
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Nuno Canas, Neurologe
Dazu kommt: Die Entwicklung oder Lizenzierung von auf Cannabis basierenden Medikamenten in Portugal ist für viele international tätige Pharmaunternehmen nicht attraktiv genug, weil der portugiesische Markt zu klein und der bürokratische Aufwand zu groß ist. Das behaupten zumindest die Unternehmen.
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Hoffnung auf neu genehmigte Cannabis-Medizin
Immerhin hat die portugiesische Regulierungsbehörde im vergangenen Jahr elf neue Cannabis-Präparate lizenziert. "Das ist ein fortlaufender Prozess," sagt Vasco Bettencourt. "Ich glaube, dass die Patienten in den kommenden Jahren einen besseren Zugang zu Cannabispräparaten haben werden und mehr Patienten diese nutzen werden."
Bis dahin blüht zumindest der Anbau von medizinischem Cannabis weiter auf. Auch in Hinblick auf den wachsenden deutschen Markt wird das Unternehmen Curaleaf seine Weiterverarbeitungsanlage in Portugal deutlich vergrößern und hofft, irgendwann die Gesamtproduktionskapazität ihrer Gewächshäuser vor den Toren Lissabons voll auslasten zu können.
Quelle: dpa
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