Interview
Expertin über Kommunikationstaktik:"Trump überschüttet die Leute mit Müll"
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Donald Trump sorgt fast täglich für Aufreger - oft mit einem Mix aus Fakten und Fiktion. Psychologin Helen Fischer spricht über die Gefahren dieses Stils für die Demokratie.
US-Präsident Donald Trump flutet die USA und die Welt ständig mit neuen Aussagen, Ankündigungen und Behauptungen.
Quelle: epa
ZDFheute: Mit teils abstrusen Botschaften und Forderungen sorgt US-Präsident Donald Trump tagtäglich für Aufregung. Was bezweckt er mit seiner Kommunikationsstrategie bei den US-Bürgern?
Helen Fischer: Indem Trump die Menschen in hoher Schlagzahl mit einem Mix aus Fakten und Fiktion bombardiert, verwischt er die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge. "Flood the zone with shit" - frei übersetzt "die Zone mit Müll überfluten" - hat Trumps Ex-Berater Steve Bannon diese Strategie genannt. Trump nutzt das und überschüttet die Leute quasi mit Müll. In der Folge kann es Bürgerinnen und Bürgern zunehmend schwerer fallen, zwischen wahr und falsch zu unterscheiden.
ZDFheute: Sie befassen sich wissenschaftlich mit dieser noch recht neuen Form der Desinformation. Was haben Sie bislang herausgefunden?
Fischer: Wir haben mit den Themen Klimawandel und Impfungen zwei stark umkämpfte Domänen ausgewählt und untersuchen in unserem Projekt die Auswirkungen der Trumpschen "Flood the zone"-Strategie in diesen Themenbereichen. Wir analysieren, wie Menschen auf eine Mischung aus wahren und falschen Informationen reagieren, was wir "verrauschte Informationen" nennen.
Diese Methode haben wir mit klassischer Propaganda verglichen, die nur falsche Aussagen enthält. Tatsächlich ist klassische Propaganda effektiver darin, die Fähigkeit der Menschen zur Unterscheidung von Wahrheit und Lüge zu unterminieren. "Zone Flooding" führt aber womöglich zu einer allgemeinen Leichtgläubigkeit.
Quelle: IWM
… ist promovierte Kognitionspsychologin. Sie arbeitet am Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen. Ihr im März 2023 begonnenes Projekt trägt den Titel "Info-Rauschen: Untersuchung der Kognitiven Auswirkungen verrauschter Informationsumgebungen".
ZDFheute: Wie kommt das?
Fischer: Wir haben eine besondere Form des "Zone Flooding" untersucht, die wir "Bullshit" nennen. Dabei werden nicht nur wahre und falsche Informationen vermischt, sondern die Falschheit ist auch noch in sich widersprüchlich. Das heißt, man versucht nicht einmal mehr, widerspruchsfreie Unwahrheiten zu behaupten.
Diese extreme Form des "Zone Flooding" führt laut unseren Ergebnissen dazu, dass Bürgerinnen und Bürger leichtgläubiger werden und stärker dazu neigen, Aussagen zunächst für wahr zu halten, egal wie falsch sie sind. Der Effekt ist stärker ausgeprägt als bei klassischer Propaganda und zeigt, wie gefährlich diese Methode ist.
ZDFheute: Wohin führt das?
Fischer: "Zone Flooding" gefährdet die Demokratie, weil es evidenzbasierte Entscheidungen erschwert. Selbst wenn verlässliche Informationen verfügbar sind, führt die zunehmende Leichtgläubigkeit gegenüber Falschaussagen dazu, dass mehr falsche Dinge für wahr gehalten werden. Es zeigt sich zudem ein asymmetrischer Effekt dieser Leichtgläubigkeit: Der Glaube an eigene falsche Überzeugungen steigt stärker als der an richtige.
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ZDFheute: Verfängt das "Zone Flooding" bei bestimmten Gesellschaftsgruppen besonders stark?
Fischer: Wir haben untersucht, wie gut Menschen ihre Fähigkeit einschätzen können, Wahrheit von Falschheit zu unterscheiden. Dabei zeigte sich, dass schlecht informierte Personen oft sicher sind, auch wenn sie falsch liegen, während gut informierte Personen ihre Unsicherheiten besser einschätzen können.
ZDFheute: Gibt es Zusammenhänge zwischen der politischen Einstellung und der Empfänglichkeit für kommunikative Manipulation?
Fischer: Unsere Studie zeigt, dass die Effekte des "Zone Flooding" politisch symmetrisch sind. Das heißt, sie wirken gleich stark, unabhängig davon, ob sich jemand als politisch links oder rechts einordnet.
Menschen auf beiden Seiten des politischen Spektrums sind gleichermaßen anfällig dafür, durch "Zone Flooding" leichtgläubig zu werden.
Helen Fischer, Psychologin
ZDFheute: Als Kinder lernen wir: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht …
Fischer: Unsere Studienergebnisse legen eher nahe, dass das nicht stimmen muss. Wer einmal lügt, dem kann man zukünftige Lügen sogar noch mehr glauben - wenn die Lügen geschickt gestreut sind.
Man kann Leute in einen Lügenkreis reinbringen, aus dem sie nur schwer wieder herausfinden.
Helen Fischer, Psychologin
Das Interview führte Marcel Burkhardt.
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