Deutsche Helfer in Gaza: "Wir bleiben, so lange wie möglich"

Deutsche Helfer in Gaza:"Wir bleiben, so lange wie es möglich ist"

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Thorsten Schroer ist Rettungssanitäter und für die Berliner Hilfsorganisation CADUS im Gazastreifen. Sein Team evakuiert Schwerverletzte. Sein Appell: Es müssen Hilfen ins Land.

Menschen stehen am 08.04.2025 vor ihrem Zelt auf den Trümmern eines zerstörten Gebäudes im Lager Jabalia
In den Ruinen von Gaza gibt es unzählige Schwerverletzte, denen der deutsche Rettungssanitäter Thorsten Schroer hilft. Eine Arbeit unter extremen Bedingungen.
Quelle: AFP

Seit zwei Wochen ist der deutsche Rettungssanitäter Thorsten Schroer wieder im Gazastreifen. Es ist sein vierter Einsatz in diesem Krieg. Wir erreichen ihn in seiner Unterkunft in Deir al-Balah.
ZDFheute: Wie ist die Sicherheitslage bei Ihnen?
Thorsten Schroer: Es gibt Luftangriffe über den ganzen Gazastreifen verteilt. Auch hier, so einen, anderthalb Kilometer entfernt von uns. Sichere Orte gibt es nicht. Es gibt auch keine humanitäre Zone mehr.
Als internationale NGO haben wir unseren Standort dem israelischen Militär mitgeteilt und dafür eine Art Garantie bekommen, dass diese sogenannten konfliktfreien Orte nicht angegriffen werden. Allerdings ist das ein sehr brüchiger Schutzschirm, wie zuletzt der Angriff auf das Gebäude einer UN-Mission gezeigt hat.
The aid worker was among 15 humanitarian personnel who were killed on March 23 in an attack by Israeli forces, according to the United Nations and the Palestine Red Crescent Society (PRCS). The Israeli military has said its soldiers "did not randomly attack" any ambulances, insisting they fired on "terrorists" approaching them in "suspicious vehicles".
Nach dem Beschuss eines Rettungskonvois in Gaza mit 15 Toten zieht ein brisantes Handyvideo die offizielle Version Israels in Zweifel. Der Vorwurf: Ein mögliches Kriegsverbrechen.05.04.2025 | 2:49 min
ZDFheute: Von wo geht die größte Gefahr für Sie aus?
Schroer: Im Moment von der israelischen Armee und den Kampfhandlungen. Die größte Gefahr ist, ins Kreuzfeuer zu geraten. Selbst wenn die Unterkunft selber nicht bombardiert wurde, das Haus wackelt jeden Tag mehrmals.
ZDFheute: Was haben Sie von der Tötung der 15 palästinensischen Sanitäter mitbekommen?
Schroer: Das hat hier sehr schnell Kreise gezogen. Am Anfang war unklar, was genau passiert ist. Erstmal war der Kontakt abgebrochen. Wir arbeiten relativ eng mit dem Palästinensischen Roten Halbmond (PRCS) zusammen. Dementsprechend hat man einige schon gesehen, die dann vermisst waren.
Wenn Kollegen auf diese Art und Weise getötet werden, das trifft einen ganz nah. 15 Leute in einem Massengrab zu verscharren, die Fahrzeuge zu zerstören. Es gibt dafür einfach keine Entschuldigung.
Orte im Gazastreifen

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ZDFheute: Wie können Sie unter diesen Umständen überhaupt arbeiten?
Schroer: Hier zu arbeiten ist extrem. Auch wir sind kaum in der Lage, Essen reinzubringen, pro Person sind nur drei Kilogramm erlaubt. Der Aufwand, nur um hier zu existieren, ist extrem hoch.

Wir haben auch das Gefühl, dass man uns die Arbeit und das Leben schwer machen möchte, um uns zu verscheuchen.

Thorsten Schroer, Rettungssanitäter bei CADUS

Und es wird von unseren nationalen Partnern sehr geschätzt, dass immer noch Internationale hier sind, die das Risiko in Kauf nehmen.
Thorsten Schroer von der Hilfsorganisation CADUS
Thorsten Schroer betont, wie wichtig auch der Schutz von humanitären Helfern im Gazastreifen ist.
Quelle: Hilfsorganisation CADUS

ZDFheute: Wie würden Sie das Leben in Gaza beschreiben?
Schroer: Dystopie ist der richtige Ausdruck, glaube ich. Als Deutschem fällt einem irgendwie Dresden 1945 ein. Das Zerstörungslevel in Gaza ist wirklich enorm. Teile von Nord-Gaza existieren einfach nicht mehr.

Ich finde, die Resilienz der Menschen ist extrem beeindruckend.

Thorsten Schroer, Rettungssanitäter bei CADUS

Wenn man mit den Leuten in einer ruhigen Minute spricht, ist die Verzweiflung sehr groß und die Unsicherheit, wie es weitergehen soll. Keiner hat wirklich eine Antwort. Die Leute konzentrieren sich aufs Überleben.
Vertriebene Kinder in Gaza.
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ZDFheute: Was ist Ihr dringlichster Appell?
Schroer: Seit einem Monat sind die Grenzen dicht. Hilfsgüter, auch normale kommerzielle Güter müssen wieder ins Land gelassen werden, damit die Menschen eine Basisversorgung mit Essen, Wasser, Elektrizität haben. Und dann der Schutz von humanitären Helfern, von Gesundheitsversorgung. Das ist das absolute Minimum von internationalem Kriegsrecht. Und dann ein Waffenstillstand und die Verhandlung von einem tragfähigen Frieden. Die Menschen hier haben nicht mal die Möglichkeit, aus der Kampfzone zu fliehen.
ZDFheute: Was motiviert Sie, zu bleiben?

Ich glaube, es ist wichtig, so lange auszuhalten, wie es irgendwie geht.

Thorsten Schroer, Rettungssanitäter bei CADUS

Schroer: Und mit "wir" meine ich nicht nur CADUS, sondern die internationale Gemeinschaft. Dass die UN sich mit Krallen hier festhält und versucht, sich nicht vertreiben zu lassen. Immer noch Präsenz zeigt, auch wenn es mit unglaublich hohem Risiko und Aufwand verbunden ist, damit die Leute nicht das Gefühl haben, völlig vergessen zu sein.
Das Interview führte Lisa Jandi. Sie ist Redakteurin im ZDF-Landesstudio Berlin.

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