Nach Eklat in Washington: Gipfel in London zur Verteidigung

    Nach Eklat in Washington:Gipfel in London: Retten, was zu retten ist

    Wolf-Christian Ulrich
    von Wolf-Christian Ulrich, London
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    Nach dem Eklat in Washington treffen sich Politiker aus EU und Nato in London. Sie versuchen, Europas Verteidigung aufzustellen - und für die Ukraine zu retten, was zu retten ist.

    Der britische Premierminister Keir Starmer ist Gastgeber des Gipfeltreffens der europäischen Staats- und Regierungschefs zur Diskussion der Ukraine im Lancaster House in London
    Wie geht es weiter mit der Hilfe für die Ukraine? Darüber berieten heute in London europäische Staats- und Regierungschefs02.03.2025 | 2:08 min
    In London schlägt heute die Stunde der Wahrheit für Europa. Es geht um die Notwendigkeit, eine europäische Verteidigungsfähigkeit herzustellen und zu finanzieren - und es geht um die Notwendigkeit, die Sicherheit der Ukraine in einem kriegsentscheidenden Moment zu garantieren. Beides ist enorm teuer und mit großen Risiken verbunden. Doch der offene Streit im Weißen Haus am Freitagabend zeigt den Europäern: Dass sie nicht mehr vollumfänglich auf die USA als Garant ihrer Sicherheit zählen können.

    Starmer versucht, die Scherben aufzukehren

    Dabei hatte die Woche hoffnungsvoll begonnen: atmosphärisch gute Besuche von Präsident Macron und Premierminister Starmer in Washington. Der Gastgeber des Gipfels, der britische Premierminister Keir Starmer ist kein Populist, kein Charmeur, kein Publikumsliebling. Der ehemalige Staatsanwalt ist ein eher trockener Pragmatiker.
    Er scheint jedoch eine Durchwahl und einen Draht zu Trump gefunden zu haben. Er positioniert sich zwischen der EU und den USA als Vermittler, beschwört dabei die "besondere Beziehung" zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA: die engste, so Starmer, die zwei Staaten überhaupt hätten auf der Welt.
    Wolf-Christian Ulrich, ZDF-Korrespondent im Gespräch mit Antje Pieper
    ZDF-London-Korrespondent Wolf-Christian Ulrich zu den Ergebnissen des europäischen Krisentreffens in London.02.03.2025 | 2:51 min
    Nach dem Eklat im Weißen Haus habe er sofort mit Trump und Selenskyj telefoniert, so Starmer, auch mit Macron. Es gehe darum, in der Sache weiterzukommen. Er glaube, dass Trump "einen dauerhaften Frieden will". Er vertraue Trump.
    Für Selenskyj ist der Kern- und Angelpunkt: Sicherheitsgarantien, die einen Waffenstillstand in der Ukraine absichern. Diese Garantien gebe es nur mit den USA. So sieht es auch Starmer: ohne die USA seien Sicherheitsgarantien keine Abschreckung gegenüber Putin. Und: Es gehe hier auch um Europas Sicherheit. Trump habe Starmer am Donnerstag noch versprochen "uns immer den Rücken zu stärken", so Starmer, doch die Europäer müssten nun vorlegen.

    Europäische Sicherheitsgarantien für die Ukraine?

    Wie diese Sicherheitsgarantien aussehen können, unter anderem darum geht es heute in London. Starmer will nun gemeinsam mit Präsident Macron "und anderen" einen Friedensplan ausarbeiten. Beide Länder haben bereits die Bereitschaft signalisiert, zur Friedenssicherung Truppen in die Ukraine zu senden. 
    Der Plan solle dann mit den USA besprochen werden. Aus deutscher Sicht interessant: Dass Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz nicht zu denjenigen gehört, die Starmer als erstes (wenn überhaupt) nennt, wenn es um erste Ansprechpartner geht in der EU (anders dagegen: Macron) - und dass Starmer heute Deutschland nicht explizit als Teil der Koalition der Willigen nennt.
    SGS Zimmermann Schaefers
    Union und SPD wollen die deutsche Verteidigung schnell "auf die Füße stellen", sagt Diana Zimmermann. Auf europäischer Ebene brauche es neue Wege, so Isabelle Schaefers.01.03.2025 | 3:18 min
    Starmer will Trump überdies offenbar zeigen, dass die europäischen Partner mehr für die Sicherheit tun. Das Vereinigte Königreich wolle bis zu drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgeben, kündigte er an. Eine Zahl, die auch im bundesdeutschen Wahlkampf eine Rolle spielte - und in beiden Ländern die Haushalte strapazieren würde. Doch die Erkenntnis, dass Europa in Zukunft zu großen Teilen selbst für seine Sicherheit sorgen muss, wurde am Freitag mit den Bildern aus Washington (Starmer: "Keiner wollte das sehen") live in jeden Regierungssitz ausgesendet.

    Die Kosten für Verteidigung und Ukraine-Hilfe

    Die US-Regierung zögert derzeit mit der Auszahlung von fünf Milliarden Dollar an Ukraine-Hilfe. Die Regierung Starmer sprang nach dem Streit zwischen Selenskyj und Trump nun unmittelbar ein: Rasch unterzeichnete man gestern einen Kredit von rund 2,8 Milliarden Euro. Erstmals, so Schatzkanzlerin Reeves, nutze man Zinsen aus eingefrorenen russischen Vermögen im Vereinigten Königreich, um diese Kredite abzusichern.
    In Russland reagiert man betont gelassen auf den Gipfel in London. ZDF-Korrespondent Armin Coerper berichtet aus Moskau:
    Armin Coerper, ZDF-Russland-Korrespondent im Gespräch mit Ante Pieper
    ZDF-Russland-Korrespondent Armin Coerper zu der Frage, wie der Kreml auf das europäische Krisentreffen in London regiert.02.03.2025 | 1:00 min
    Doch nicht nur im Vereinigten Königreich ist das Geld knapp - auch in anderen europäischen Staaten. Um Rüstungskredite auf dem europäischen Kontinent zu erleichtern, ist eine Bank für Verteidigung, Sicherheit und Widerstandsfähigkeit (DSR) im Gespräch, 120 Milliarden Euro schwer.
    Wolf-Christian Ulrich ist Korrespondent für das Vereinigte Königreich und Irland im ZDF-Studio London
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