Grenzkontrollen in Deutschland: Sorge um Reisefreiheit

Es ist eine beachtliche Zahl: über 440 mal wurden schon Kontrollen an den Binnengrenzen im Schengenraum eingeführt, seit 2006, so eine Aufstellung der EU-Kommission. Ist die uneingeschränkte Reisefreiheit also vorbei? Der sogenannte Schengenraum ist eine der größten Errungenschaften für die Europäische Union. Vor fast 40 Jahren wurde er ins Leben gerufen und wächst seitdem. Keine Passkontrolle, bequemes Reisen, aber vor allem auch ein Wirtschaftsfaktor: Der Gütertransport kann ohne große Beeinträchtigung fließen.

Dass grade Deutschland jetzt für mindestens sechs Monate Kontrollen an allen Außengrenzen eingeführt hat, ist großes Thema auf der europäischen Bühne. Die Sprecherin der EU-Kommission hat sich in der täglichen Pressekonferenz bemüht, die Gemüter zu beruhigen:

Diese Woche tagt das Europaparlament in Straßburg - und das Thema Grenzkontrollen reist mit: Terry Reintke ist Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament. Ihre Fraktion wollte, dass das Thema Grenzkontrollen im Plenum diskutiert wird. Doch der Vorstoß war erfolglos.

So wurde kurz vor der Sommerpause in diesem Jahr eine Reform des "Gemeinsamen europäischen Asylsystems" (GEAS) beschlossen. Darin ist eine stärkere Kontrolle der Außengrenzen vorgesehen, eine proportionale Verteilung der Migrantinnen und Migranten auf alle Mitgliedsstaaten und Abkommen mit Drittstaaten, die Migrantinnen und Migranten aufhalten sollen. Doch: Dieser Migrationspakt soll erst in zwei Jahren in Kraft treten.

Nicht alle sehen es so kritisch, wie man auf den gläsernen Gängen in Straßburg hört. Vor allem in konservativen Kreisen gibt es Zustimmung zu Deutschlands Vorstoß - es wird von einer Überbrückung, bis der Migrationspakt in Kraft tritt, gesprochen. Auf der Plattform "X" richtete der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban an Bundeskanzler Olaf Scholz die Worte "Willkommen im Club", denn Ungarn will eine restriktive Migrationspolitik.

Zwar hat die deutsche Innenministerin Nancy Faeser die EU-Kommission über das Vorhaben informiert, und die Kommission bestätigt, man sei im regen Austausch, dass das alles mit dem EU-Recht konform abläuft. Kaum kündigte Faeser aber die Kontrollen an, hat die rechte Regierung der Niederlande sich in den Windschatten Deutschlands gestellt und will restriktive Migrationspolitik durchsetzen. Doch in den Niederlanden machen sich vor allem Transportunternehmen Sorgen vor dem wirtschaftlichen Schaden.

Lucien van Riswijk ist Bürgermeister in der Grenzgemeinde Babberich in den Niederlanden: er kennt die langen Staus dort, wo die A12 auf der deutschen Seite zur A3 wird. Aus den Zeiten der Corona-Pandemie - und zuletzt während der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. "Ich denke, es ist unmöglich, die Grenze für die Migration zwischen den EU-Ländern zu schließen", so van Riswijk, "Und wenn es auf den großen Autobahnen eher symbolisch ist, ja, dann ist der wirtschaftliche Effekt meiner Meinung nach größer."

Während die Plenarwoche in Straßburg weiter geht, befürchten einige der Parlamentarier, dass jetzt nationale Egoismen Feder führen beim Thema Migration - und dass sei nicht die Lösung.