Karfreitag in Jerusalem:Der Gaza-Krieg schreckt christliche Pilger ab
von Luc Walpot
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Halbleere Gassen, Restaurants und Souvenirläden ohne Kunden: Wie schon im letzten Jahr meiden Touristen zu Ostern die Reise nach Jerusalem vor dem Hintergrund von Krieg und Gewalt.
Abu Alan Baidun hat schon viele Konflikte im Heiligen Land überstanden. Sein Vater begann vor 100 Jahren in der Altstadt Jerusalems mit Antiquitäten zu handeln. Heute ist "Baidan Fine Antiques" eine Institution. Hier kaufen Experten, Sammler und wissenschaftliche Einrichtungen. Demnächst übernimmt Abu Alans Enkel das Ruder. Und es steht, wie schon viel zu oft in der Vergangenheit, schlecht ums Geschäft. Wir sind heute die einzigen Besucher bei Abu Alan.
Verzweiflung in Jerusalem - und Misstrauen
"Als Abraham vor 4000 Jahren aus Babylon hierher kam, wollte er Frieden", seufzt Abu Alan, selbst gläubiger Muslim. "Und er ist unser aller Urvater, von Christen, Muslimen, Juden. Frieden und Liebe bringen Wohlstand. Nicht Gier, Waffen und Krieg." Es schwingt Verzweiflung mit in seinen Worten.
Der brutale Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023, die Geiselnahme vieler israelischer Bürgerinnen und Bürger, der anschließende Krieg in Gaza und im Libanon, all das ist hier in der Altstadt Jerusalems zu spüren. Das Misstrauen, vor allem zwischen Juden und Muslimen, ist noch größer geworden. Die Spannungen nehmen zu. Und das Geschäft liegt brach: Touristen verschieben ihre Reisepläne. Die Tische in den Restaurants bleiben leer, wie die Hotels um die Altstadt, und die Souvenirläden warten vergeblich auf Kundschaft.
Statt Massen von Pilgern: Leere
Ein paar Gassen weiter hoch, auf dem Berg Zion, thront die frisch renovierte Dormitio-Basilika, die Abteikirche der deutschsprachigen Benediktiner in Jerusalem. "Es ist ganz selten", erklärt Nikodemus Schnabel, Abt der Dormitio, "dass die Karwoche der West- und der Ostkirche und auch das jüdische Pessachfest kalendarisch zusammenfallen. Eigentlich müssten sich Massen von Pilgern durch die Altstadt drängeln. Aber es ist leer."
Auch Christen kriegen Hass zu spüren
Das Klima im Land sei rauer geworden, sagt der Geistliche. Das spüre er auch als Christ hier in Jerusalem. Die Abteimauern würden immer wieder mal mit Hass-Graffitis besprüht. Wenn er durch die Altstadt geht, in seinem Priestergewand, gebe es vermehrt Radikale, oft jüdische Siedler, die vor ihm oder hinter ihm ausspucken. Aber da seien auch die jüdischen Bürgerinitiativen, die vor christlichen Kirchen Wache halten, um Übergriffe von Radikalen zu verhindern. "Und heute sprach mich ein Mann an: Du bist doch Mönch oder Priester? Ja! Dir auch schöne Feiertage!" Auch das gibt es.
Überall bewaffnete Ordnungskräfte
Zurück zur Via Dolorosa in der Altstadt, wo eine Gruppe jüdischer Pilger den Erklärungen ihres Fremdenführers lauscht, mit jüdischer Kopfbedeckung und einer Israel-Flagge leicht zu erkennen. Sie waren gerade an der Klagemauer beten und wollen sich nun die Geschichte des Kreuzwegs Jesu schildern lassen.
An der Ecke wachen fünf Polizistinnen und Polizisten, mit Sturmwehren bewaffnet. Und ein junger orthodoxer Jude, schlecht gelaunt und in großer Eile, drängt sich unwirsch durch die Menge, auch er, als Zivilist, bewaffnet mit einem Gewehr. Die muslimischen Händler schauen verbittert auf die Szene. Und eine kleine Gruppe christlicher Besucher aus Rumänien schlendert, leicht verwirrt von diesen Eindrücken, weiter zur Grabeskirche.
Jerusalem gehört uns allen, so der Appell von Abu Alan, dem Antiquitätenhändler. In diesen Tagen voller Spannung hat man den Eindruck, dass nicht alle Israelis mit Abu Alan übereinstimmen.
Quelle: dpa
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