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Ex-Verbandschef vor Gericht:Spaniens Kuss-Skandal: Prozess gegen Rubiales
von Brigitte Müller, Madrid
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Die Bilder gingen um die Welt: Der Chef von Spaniens Fußballverband küsste die Spielerin Jennifer Hermoso bei der WM-Siegesfeier 2023 auf den Mund. Nun hat der Prozess begonnen.
Ein Kuss, den er Jenni Hermoso bei der WM-Siegesfeier aufzwängte, wurde zum Skandal. Heute begann der Prozess gegen Luis Rubiales.
Quelle: epa
Luis Rubiales war in seinem Element, damals, am 20. August 2023. WM-Finale der Frauen Spanien gegen England. Schon beim 1:0 fasste er sich vor aller Augen genüsslich zwischen die Beine. Bei der Medaillenverleihung umarmte er die Frauen nacheinander, die Kapitänin Jennifer Hermoso fasste er mit beiden Händen am Kopf und drückte ihr einen Kuss auf den Mund.
Fast eineinhalb Jahre später muss Luis Rubiales sich nun wegen sexuellen Übergriffs und Nötigung verantworten. Er habe die Spielerin mehrmals bedrängt, den Kuss als einvernehmlich darzustellen. Zudem habe er Druck auf Familienangehörige ausgeübt, in diesem Sinne auf Hermoso einzuwirken, so die Staatsanwaltschaft. Der Kuss habe bei ihr "Ekel und Abscheu" ausgelöst und "einen der glücklichsten Tage meines Lebens überschattet", sagte die Spielerin beim Prozess-Auftakt.
Das sollte niemals passieren, in keinem sozialen oder beruflichen Bereich.
Jennifer Hermoso
Die Staatsanwaltschaft fordert ein Jahr Haft wegen sexuellen Übergriffs, anderthalb Jahre für die Nötigung und eine Entschädigung von 50.000 Euro. Drei weitere Führungskräfte, darunter auch der ehemalige Trainer der spanischen Frauenmannschaft, sitzen ebenfalls wegen Nötigung auf der Anklagebank. Für sie werden jeweils anderthalb Jahre Haft gefordert und die gemeinsame Zahlung einer Entschädigung von noch einmal 50.000 Euro.
Sexueller Übergriff löste Proteste aus
Schon nach dem Finale in der Kabine stellte die Spielerin im Handystream klar: "Das hat mir nicht gefallen." Dieser Übergriff des Verbandschefs empörte nicht nur den Frauenfußball und Feministinnen über die Landesgrenzen hinaus, sondern führte zu Bestürzung in breiten Teilen der spanischen Gesellschaft.
Rubiales hingegen fühlte sich unantastbar, tat den Zwischenfall als Bagatelle ab, nannte Kritiker "Idioten" und spricht von falsch verstandenem Feminismus. Wenige Tage später bekräftigte Rubiales gleich mehrmals in einer Verbandssitzung, er trete keinesfalls zurück.
Spielerinnen traten zurück
Mehrere Spielerinnen verließen aus Protest die Nationalmannschaft, eine Welle der Solidarität breitete sich aus. Am 26. August schließlich suspendierte der Weltfußballverband FIFA Luis Rubiales mit sofortiger Wirkung.
Am 3. September 2023 erstattete Jennifer Hermoso Strafanzeige. Da die Tat im Ausland stattfand, ist der Nationale Gerichtshof in Madrid zuständig.
Grabschen kein Kavaliersdelikt
Der Strafrechtsprofessor Manuel Cancio von der Universidad Autónoma de Madrid lässt an der Rechtslage keinen Zweifel. Ein Kuss auf den Mund ohne Einwilligung der Geküssten sei ebenso wie das Fassen an die Brust oder den Po eine sexuelle Straftat, schränke die Frauen in ihrer sexuellen Selbstbestimmung ein.
Kernpunkt bei dem Prozess sei demnach, ob die Spielerin, so wie Rubiales behauptet, ihr Einverständnis für den Kuss gegeben habe. Hermoso bestreitet das. Der Kuss sei unerwartet und ohne Einverständnis geschehen. Strafrechtler Cancio geht davon aus, dass im Falle einer Verurteilung die Strafe gering ausfällt und zur Bewährung ausgesetzt wird.
Plakate bei Fußballspielen: "Schluss jetzt"
"Dieser Kuss, mit all der Aufmerksamkeit, den er in der ganzen Welt erregt hat, ist Zeichen eines Klimas der Belästigung und des Machtmissbrauchs gegen Frauen, vor allem in einer so harten Umgebung wie dem Fußball", sagt Marisa Soleto, Direktorin der Stiftung Frauen. Der Fall Rubiales sei ein spanisches "Me Too". "Se acabó" - Schluss jetzt - war damals auf den Unterstützungsplakaten bei vielen Fußballveranstaltungen aus Solidarität mit Hermoso zu lesen gewesen.
Wir müssen der Gesellschaft zeigen, dass Frauen weder dieses Klima der Belästigung noch der Unsicherheit in ihrem Sport-, Familien und Arbeitsumfeld hinnehmen müssen.
Marisa Soleto, Direktorin der Stiftung Frauen
Der Prozess gegen Luis Rubiales und seine Getreuen ist das vorerst letzte Kapitel in einem verstörenden Skandal von Machismo und Machtmissbrauch, aber auch einer Geschichte von Solidarität und starken Frauen, die aufstehen und sagen: Jetzt ist Schluss.
Mit Material von dpa und SID
Quelle: dpa
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