Elon Musks Starlink: Gibt es Alternativen für die Ukraine?

    FAQ

    Streit um Satelliten für Ukraine:Gibt es Alternativen zu Elon Musks Starlink?

    von Jan Schneider und Oliver Klein
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    Könnte sich die Ukraine auch ohne Starlink verteidigen? Elon Musk hält seinen Satellitendienst für unersetzlich. Doch gibt es wirklich keine Alternative? Ein Überblick.

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    US-Milliardär Elon Musk behauptet: Ohne sein Satellitensystem Starlink würde die ukrainische Front zusammenbrechen - es gebe keine Alternative. Doch stimmt das wirklich? Warum ist Starlink für die Ukraine überhaupt so wichtig? Und welche Möglichkeiten hätte das Land, sollte Musk seinen Satellitendienst doch einmal abschalten? ZDFheute beantwortet die wichtigsten Fragen.

    Warum ist Starlink für die Ukraine so wichtig?

    Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat sich Starlink zu einem unverzichtbaren Rückgrat der ukrainischen Kommunikation entwickelt. Nachdem russische Hacker und Bomben die konventionellen Netze (Mobilfunk, Kupfer- bzw. Glasfaserkabel, Stromleitungen) teils lahmgelegt hatten, ermöglichte Starlink die Versorgung mit Internet.​
    "Sei still, kleiner Mann" - darum geht's beim aktuellen Streit zwischen Elon Musk und Polen:
    Die Onlinezeitung "The Kyiv Independent" berichtete unter Berufung auf ukrainische Regierungsangaben aus dem vergangenen Jahr, dass etwa 42.000 Terminals im Land in Betrieb seien - verteilt auf Militär, Krankenhäuser, Unternehmen und Hilfsorganisationen​.
    Für die ukrainischen Streitkräfte war Starlink ein Gamechanger: Praktisch jede Frontstellung verfügt heute über ein eigenes Starlink-Terminal, um auch unter Beschuss oder in entlegenen Gebieten online zu bleiben​. Über das System koordiniert das Militär Artillerieschläge, tauscht Aufklärungsdaten von Drohnen in Echtzeit aus und hält Kontakt zwischen Einheiten, wo Funkgeräte versagen.​
    Die ukrainische Digital-App "Diia" und das militärische Lagebild-System "Delta" greifen auf Starlink zurück, um Informationen in Echtzeit an Truppen und Entscheidungsträger zu senden​ - und sogar simple Anwendungen wie WhatsApp auf dem Feldtelefon der Soldaten laufen über Starlink.
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    Auch für bestimmte Drohnenoperationen spielte Starlink eine Rolle. So wurden unbemannte Luft- und See-Drohnen teils über Starlink-Verbindungen gesteuert oder bei ihren Angriffen unterstützt - bis SpaceX diese direkte militärische Nutzung im Jahr 2023 einschränkte​.
    Der polnische Vizepremier Krzysztof Gawkowski beschrieb die Bedeutung von Musks Technik für die Ukraine folgendermaßen:

    Starlink sorgt für Internet und Sicherheit im zivilen und militärischen Bereich. Dank dessen hält die Front.

    Krzysztof Gawkowski, polnische Vizepremier

    Gawkowski merkte dabei auch an, dass Polen dabei hilft, den Starlink-Zugang in der Ukraine zu finanzieren und aufrechtzuerhalten, indem es die Hälfte aller Terminals in der Ukraine bereitstellt. Ende Februar hat Polen 5.000 weitere Starlink-Terminals für die Ukraine bestellt.

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    Starlink ist ein von Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX betriebenes System von Kleinsatelliten, die die Erde in einer relativ niedrigen Umlaufbahn umkreisen, um überall schnellen Internetzugang bereitzustellen - auch an abgelegenen Orten, auf dem Meer und wo die irdischen Netze zerstört sind.

    7.000 dieser Satelliten sind derzeit im All, insgesamt sind 40.000 beantragt. Nutzer auf der Erde können sich über eine spezielle Satellitenschüssel mit dem System verbinden. Auch untereinander können die Satelliten über Laserstrahlen miteinander kommunizieren.

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    Welche Alternativen hätte das ukrainische Militär für Starlink?

    Musk beteuert, Starlink nicht für die Ukraine abschalten zu wollen. Sollte das System dennoch plötzlich nicht mehr verfügbar sein, stünde die Ukraine vor großen Herausforderungen - aber es gäbe begrenzte Ausweichmöglichkeiten.
    "Es gibt auch andere Anbieter, aber die Frage ist: Wie schnell wäre das verfügbar?", erklärt Juliana Süß, die sich bei der Stiftung Wissenschaft und Politik unter anderem mit Militärtechnologie und Weltraumpolitik beschäftigt. "Das wäre dann ein eher qualitativer Unterschied: Ist das Internet schnell genug, um taktisch reagieren zu können?"
    Als Ersatz käme dabei am ehesten der französisch-britische Konzern Eutelsat in Betracht. Der betreibt unter dem Namen "OneWeb" ebenfalls ein Netz von Kleinsatelliten in einer niedrigen Erdumlaufbahn, die für Internet- und Mobilfunkverbindungen genutzt werden können. Eutelsat verhandelt nach eigenen Angaben bereits mit der Europäischen Union (EU) über eine Ausweitung der Zusammenarbeit mit der Ukraine.
    Eutelsat kann mit seinen 630 niedrig fliegenden Satelliten und 35 weiteren in einer geostationären Umlaufbahn nach eigenen Angaben trotz der geringeren Anzahl ähnliches leisten wie der US-Rivale Starlink. Dieser hat derzeit mehr als 7.000 künstliche Trabanten in Betrieb und bietet Verbindungen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 200 Megabit pro Sekunde. Der europäische Konzern kommt auf maximal 150 Megabit.
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    Allerdings kosten die Eutelsat-Terminals für die Verbindungen zu den Satelliten bis zu 10.000 Dollar. Hinzu kommen monatliche Nutzungsgebühren. Starlink verkauft seine Zugangsgeräte in der Ukraine für 589 Dollar pro Stück und verlangt nutzungsabhängige Gebühren zwischen 44 und 95 Dollar pro Monat. Es ist unklar, ob externe Geldgeber der Ukraine zusätzliche OneWeb-Terminals und -Zugänge finanzieren würden.
    Auch der Luxemburger Anbieter SES betreibt Satelliten in einer mittleren Umlaufbahn. Dieser liefert bereits Bandbreite an Nato-Streitkräfte, setzt aber auf fest installierte Stationen, nicht auf kleine mobile Antennen​.
    Die EU plant zudem ein eigenes Satellitensystem namens Iris2. Die Verträge dafür wurden im Dezember unterzeichnet, doch bis es funktionsfähig ist, dürfte es noch einige Jahre dauern. Geplant ist, dass es bis 2030 in Betrieb genommen wird.
    Ohne Starlink müssten ukrainische Einheiten verstärkt auf klassische Funktechnik und verkabelte Systeme zurückgreifen. Bereits jetzt nutzen sie verschlüsselte Militärfunksysteme als Ergänzung. Allerdings haben russische Störtruppen gezeigt, dass sie alle traditionellen Funksignale effektiv stören können.​

    Würde die ukrainische Frontverteidigung ohne Starlink zusammenbrechen?

    Musks dramatische Aussage, die ukrainische Front würde ohne Starlink "kollabieren", ist umstritten. Sie unterstreicht zwar die enorme Abhängigkeit der Ukraine von diesem System, greift aber etwas zu kurz.
    Fakt ist: Ohne Starlink wären die ukrainischen Kommunikation schwer beeinträchtigt. Viele Einheiten würden plötzlich im digitalen Funkloch stehen: Befehle, Aufklärungsvideos, Lagekarten könnten nicht mehr in Echtzeit geteilt werden. Russlands Armee hätte leichteres Spiel, da ukrainische Verbände isolierter agieren müssten. Es drohten Koordinationsprobleme und Verzögerungen, was im Gefecht Leben kosten kann.
    Aber: Nur, weil Starlink ausfällt, wäre das nicht das Ende des Krieges. Die Ukrainer haben in den ersten Kriegswochen 2022 - teils noch vor Starlink - bewiesen, dass sie sich auch unter extremen Bedingungen organisieren können. Sie würden improvisieren, auf Reservekanäle umschalten und vermutlich schnell Unterstützung von Verbündeten erhalten.
    Das ukrainische Verteidigungsministerium hat ausdrücklich betont, man habe Alternativen vorbereitet​ - was impliziert, dass ein abrupter Ausfall zwar folgenschwer wäre, aber nicht das totale Zusammenbrechen aller Fronten bedeuten muss.
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    Experten zufolge käme es auf die Dauer und das Ausmaß des Ausfalls an. Ein kurzfristiger Kommunikationsblackout könnte lokal Chaos stiften, dürfte aber durch Ausweichmethoden überbrückt werden.
    Langfristig allerdings hätte ein Wegfall von Starlink gravierende Folgen: Die Kampfkraft und Reaktionsfähigkeit der Ukraine würden massiv sinken, strategische Offensiven wären kaum planbar, die Verteidigungslinien könnten bröckeln. Ohne verlässliche Kommunikation verlöre die Ukraine einen ihrer wichtigsten asymmetrischen Vorteile gegenüber der materiell überlegenen russischen Armee​.

    Was ist das grundsätzliche Problem mit Starlink?

    Elon Musk habe bereits im Krieg in der Ukraine gezeigt, dass er skrupellos eigenen und den Interessen von Trump Vorrang gewährt, erklärt Manuel Atug von der Arbeitsgruppe Kritische Infrastrukturen. "Wann immer es Musk beliebt, wird die Kommunikation vollständig stillgelegt und nichts geht mehr."

    Starlink ist daher früher oder später immer der Super-Gau.

    Manuel Atug, Arbeitsgruppe Kritische Infrastrukturen

    Denn eine von der Lust und Laune betriebene Kommunikation sei weder souverän noch für das Wohl und die Sicherheit der Kommunikationsfähigkeiten der Ukraine oder jedem anderen Nutzenden hilfreich, so Atug.
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    Quelle: mit Material von AFP

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