Bei Gipfel: Warme Worte der Nato, harte Realität für Kiew

    Treffen in Brüssel:Warme Worte der Nato, harte Realität für Kiew

    Jens Stoltenberg und Dmytro Kuleba
    von Florian Neuhann, Brüssel
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    Patt und Kriegsmüdigkeit: Wie die Ukraine beim Treffen in Brüssel gegen zwei toxische Worte ankämpft und die Nato die Lage beschönigt.

    Das treffendste Bild fällt in einer der vielen Hintergrundrunden im Hauptquartier der Nato in Brüssel. Ob es sich mit der Unterstützung der Ukraine nicht genauso verhalte wie mit dem Klimaschutz, fragt da jemand. Wo auch alle sagen, man müsse dringend mehr tun - und doch niemand die Anstrengungen wirklich erhöht. Das Lachen in der Runde vergeht schnell. Vielleicht, weil die Parallele so schlagend ist.

    Ein Patt? Nein, es wird weiter gekämpft

    Zwei Worte bestimmen die Debatten beim Nato-Außenministertreffen in Brüssel - erst recht am Mittwoch, als auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba zu Gast ist. Es sind toxische Worte für die Ukraine: Das Wort vom "Patt" im Krieg an der Front. Und das Wort von der "Kriegsmüdigkeit" des Westens.
    Kuleba ist nach Brüssel gekommen, um gegen beides anzukämpfen. Es gebe kein Patt, sagt er - ganz egal, was der ukrainische Generalstabschef Saluschnyi vor ein paar Tagen im "Economist" geschrieben habe. Ein Patt: Im Schach bedeutet es das Ende einer Partie. Dieser Krieg aber, das betont Kuleba, sei noch lange nicht zu Ende. Man biete dem Westen einen fairen Deal an, so Kuleba:

    Wir kämpfen für Euch, und Ihr liefert uns die Waffen.

    Dmytro Kuleba

    Doch liefert der Westen wirklich? Was Kuleba zu hören bekommt, sind warme Worte, wie so oft. "Wir müssen alles tun, der Ukraine zu helfen, diesen entsetzlichen Angriff Putins abzuwehren", sagt der neue britische Außenminister und Ex-Premier David Cameron - in dieser Funktion erstmals bei der Nato. Ein Satz, den viele seiner neuen Kolleginnen und Kollegen so oder ähnlich wiederholen.

    Kriegsmüdigkeit? Bitte gehen Sie weiter

    Und auch der rhetorische Aufwand, mit dem Nato-Vertreter die These von der Kriegsmüdigkeit des Westens abwehren, ist beträchtlich. "Kein Zeichen" einer solchen will US-Außenminister Anthony Blinken auf Nachfrage erkennen. Und der Nato-Generalsekretär betont die großen Erfolge, die die Ukraine bis jetzt schon erreicht habe - immerhin 50 Prozent des von Russland besetzten Gebiets habe das Land zurückerobern können.
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    Doch all das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Frontverlauf seit Wochen stillsteht. Und dass die Kluft zwischen der westlichen Unterstützungs-Rhetorik auf der einen und der Unterstützungs-Realität auf der anderen Seite deutlich wächst:
    • So ist das jüngste von US-Präsident Biden vorgeschlagene Hilfspaket für die Ukraine noch immer nicht durch den von Republikanern dominierten US-Kongress.
    • Ihr Versprechen, der Ukraine binnen eines Jahres eine Million Geschosse zu liefern, wird die Europäische Union kläglich verfehlen.
    • Und Deutschland mag zwar die Mittel für die Waffenhilfe 2024 von vier auf acht Milliarden Euro erhöhen - doch auf die erhofften Taurus-Marschflugkörper wartet die Ukraine weiter vergebens.

    Kein Sieg in Sicht - doch der Krieg wird weitergehen

    Es ist die finnische Außenministerin Elina Valtonen, die am Mittwochmorgen eine einfache Feststellung trifft: "Das aktuelle Level an Unterstützung für die Ukraine reicht nicht aus", sagt sie. Es reicht nicht aus, damit die Ukraine diesen Krieg in absehbarer Zeit gewinnen wird.
    Nato-Außenministerinnen
    Beim Treffen der Nato-Außenminister und -Außenministerinnen scheiterte die Aufnahme Schwedens wieder an der Türkei. Und auch die Lage im Ukraine-Krieg scheint momentan eingefroren.29.11.2023 | 2:22 min
    Und so finden sich die meisten mit einer bitteren Erkenntnis ab: dass dieser Krieg noch lange dauern dürfte. Erstens, weil Russland keinerlei Zeichen der Verständigungsbereitschaft erkennen lässt. Mittlerweile habe die Zahl der getöten oder verletzten Soldaten die Marke von 300.000 überschritten, sagt Nato-Generalsekretär Stoltenberg in seiner Abschluss-Pressekonferenz. Doch der russische Präsident Putin habe eine hohe Toleranzschwelle, was die Zahl der Opfer betrifft.
    Und zweitens hinterlässt auch der ukrainische Außenminister einen deutlichen Eindruck: Man werde weiterkämpfen - gegen die Erzählung vom Patt. Gegen die westliche Kriegsmüdigkeit. Und natürlich gegen den Aggressor aus Russland.
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