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Neue EU-Kommission:26 Kommissare und eine neue Realität
von Isabelle Schaefers
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Wenn heute ab 12 Uhr die Europaabgeordneten über die neue EU-Kommission abstimmen, dürfte es eine klare Mehrheit geben. Das heißt nicht, dass die Entscheidung unumstritten ist.
Das EU-Parlament erkennt mit dem Votum die neue Realität der Machtverhältnisse an.
Quelle: dpa
Der Italiener Raffaele Fitto wird heute mit im Plenarsaal sitzen. Der Vertraute von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni hat selbst Erfahrung als Europaabgeordneter und wird jetzt EU-Kommissar, soll die milliardenschweren EU-Fördermittel verwalten. Aber nicht nur das: Er soll auch Vizepräsident der Kommission werden.
Jedes Mitgliedsland darf einen Kommissar benennen, die EU-Kommissionspräsidentin verteilt die Portfolios - bestimmt also, wie viel Macht welcher Kommissar bekommt. Die Kommissare sind Europa verpflichtet, nicht ihrem Heimatland oder ihrer Partei. Die Europaabgeordneten prüfen die Kommissare auf ihre fachliche Eignung.
Die EU-Kommission gehört zu den wichtigsten Organen der Europäischen Union. Wie sie sich zusammensetzt und welche Aufgaben sie hat, erklärt das Grafikvideo.20.06.2024 | 1:04 min
Politische Patt-Situation
Doch letztlich ging es nicht um die mangelnde Eignung der Kandidaten, sondern um einen politischen Patt: Die Liberalen, die Sozialdemokraten und die Grünen wollten nicht hinnehmen, dass ausgerechnet der Rechtsaußen-Politiker Fitto Vizepräsident wird.
Im Gegenzug hatte sich die konservative EVP gegen die spanische sozialdemokratische Kandidatin Ribera gestellt - wegen ihrer politischen Verantwortung für die Flutkatastrophe in Valencia. Es kam zu einem simplen Deal: Es kommen einfach alle Kandidaten durch. Nur dem Orban-Vertrauen Varhelyi wurden kleine Teile seines Portfolios aberkannt.
Das Parlament entmachtet sich selbst
Es ist das erste Mal seit 1999, dass kein Kommissarsanwärter abgelehnt wird. Das sagt allerdings mehr über das Parlament aus, als über die Kandidaten. Das Parlament kann seine Macht gegenüber der Kommission nicht mehr voll ausspielen. Das bedauert auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Terry Reintke:
Die Grünen wollen für die Kommission stimmen, sich demonstrativ als Teil der konstruktiven und pro-europäischen Mitte zeigen. Aber die steht nicht mehr fest zusammen. Noch im Juli hatten sich EVP, Liberale, S&D und Grüne zusammengeschlossen, um der EVP-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Mehrheit jenseits von Rechtsaußen zu ermöglichen. Doch seitdem orientiert sich die EVP weiter nach rechts.
Nach "maßgeblichem Druck von außen" soll der Streit über die neue EU-Kommission in einem Deal beigelegt worden sein. 21.11.2024 | 2:31 min
Die Brandmauer bröckelt
Viermal stimmte die EVP seit Legislaturbeginn zusammen mit Rechtsaußen-Fraktionen bis hin zur AfD. EVP-Chef Manfred Weber begründet das mit Pragmatismus:
Doch die AfD schaut den Entwicklungen genüsslich zu, schreibt auf X etwa: "Die Mehrheiten haben sich verschoben" oder "Der Wind im Europäischen Parlament dreht sich."
Ganz Europa ist weiter nach rechts gerückt - das Parlament, die Regierungen und nun auch die EU-Kommission. Das EU-Parlament erkennt mit dem heutigen Votum die neue Realität der Machtverhältnisse an. Und beugt sich dem Druck der Krisen und der Einsicht, dass die EU schnell handlungsfähig werden muss. Am 1. Dezember soll die neue EU-Kommission ihre Arbeit aufnehmen.
Quelle: ZDF
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