Geht die Nord Stream-Pipeline doch noch in Betrieb?

    Umstrittene Pipeline:Geht Nord Stream 2 doch noch in Betrieb?

    Julia Klaus
    von Julia Klaus
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    Die Gas-Pipelines von Nord Stream wurden gesprengt - aber nicht komplett. US-Investoren bemühen sich nun wohl um eine Inbetriebnahme des intakten Strangs. Wer steckt dahinter?

     Dänemark, Bornholm: Das vom dänischen Verteidigungskommando zur Verfügung gestellte Foto zeigt das Nord Stream 2-Gasleck in der Nähe von Bornholm aus der Luft. Archivbild
    Dänemark, Bornholm: Das Nord-Stream-2-Gasleck aus der Luft.
    Quelle: Danish Defence Command/dpa

    Sie liegen tief unten in der Ostsee, teils gesprengt und mit Salzwasser geflutet: Die Pipelines von Nord Stream, der weltweit wohl umstrittensten Gasleitung. Bei einem Sabotageakt im September 2022, für den laut Recherchen von ZDF Frontal und "Spiegel" ein ukrainisches Kommando verantwortlich war, wurden drei Stränge zerstört. Doch eine Leitung von Nord Stream 2 blieb intakt. Das führt nun zu Spekulationen um US-Investoren und eine mögliche Inbetriebnahme der Leitung.
    Der ehemalige Stasi-Mitarbeiter, DDR-Spion und langjährige Putin-Freund Matthias Warnig soll dafür Kontakt zu US-Investoren gesucht haben, um über sie an die Trump-Administration herantreten zu können. Das berichtet die "Financial Times". Mögliches Kalkül: Bei Friedensgesprächen mit der Ukraine könnte die Pipeline zur Verhandlungsmasse werden - und doch noch ein Milliardengeschäft winken.
    Das Bundeswirtschaftsministerium teilt auf ZDF-Frontal-Anfrage mit, man führe "keine Gespräche mit Russland über eine etwaige leitungsgebundene Lieferung von russischem Gas. Dies steht nicht zur Debatte". Und weiter:

    Zudem ist die Pipeline Nord Stream 2 nicht zertifiziert und damit auch rechtlich nicht zugelassen. Die Frage einer Nutzung der Pipeline stellt sich damit nicht.

    Bundeswirtschaftsministerium

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    Stasi-Akte von "Genosse Warnig"

    Für die Bundesregierung wäre russisches Erdgas durch die Nord Stream 2-Pipeline damit Geschichte. Und für Warnig? Der ehemalige Geschäftsführer der Betreibergesellschaft "Nord Stream 2 AG" dementiert, an einer möglichen Inbetriebnahme mitzuarbeiten. ZDF Frontal hat ihn über sein Umfeld angefragt. Dieses verweist auf eine Aussage gegenüber "Zeit Online": "Ich bin in solche Pläne nicht involviert, ich bin Rentner," hatte Warnig, der auf der US-Sanktionsliste steht, dem Medium gesagt.
    Warnig, 1955 in Brandenburg geboren, war Stasi-Mitarbeiter und Agent. ZDF Frontal liegen Teile seiner Akte vor, darin die Beurteilung: "Er ist in der Lage, sich schnell und mit Fleiß in neue Probleme einzuarbeiten und beharrlich an ihrer Realisierung zu arbeiten. (...) Genosse Warnig zeigt keine übertriebene materielle Interessiertheit." Er und Putin lernten sich vermutlich in den 1980-ern in Dresden kennen, wo Putin als KGB-Mann stationiert war. Beide freundeten sich an, später auch ihre Familien. Putin verlieh Warnig 2012 den "Orden der Ehre" für die Förderung der deutsch-russischen Beziehungen. Trotz Annexion der Krim reiste Warnig zu Putins 70. Geburtstag.

    Mögliche Insolvenz von "Nord Stream 2 AG" aufgeschoben

    Interessant ist der aktuelle Zeitpunkt für mögliche Investoren, weil die "Nord Stream 2 AG", die Gazprom gehört und im schweizerischen Zug sitzt, die Insolvenz droht. Ein Kantonsgericht hatte vor wenigen Tagen eine Aufschiebung des Konkurses beschlossen. Bis Anfang Mai bleibt nun Zeit, um über die Zukunft der Betreibergesellschaft zu entscheiden. Der zuständige Richter verweist in seiner Abwägung auf die US-Wahlen und die Bundestagswahlen. Es klingt, als wolle man den Beteiligten und möglichen Interessenten noch etwas Zeit einräumen.
    Ursprünglich waren fünf europäische Firmen bei der Finanzierung von Nord Stream 2 eingestiegen: Wintershall Dea, Shell, Engie, OMV und der deutsche verstaatlichte Gas-Konzern Uniper hatten je Darlehen über knapp eine Milliarde Euro gegeben. Gegenüber ZDF Frontal schreiben sie, dass sie die Summe bereits abgeschrieben hätten, man also nicht mehr damit rechnet, dass sich die Investition auszahlt.
    Titelbild mit 3D-Küste
    Datenkabel unter Wasser, teilweise mit Betonhülle
    Offshore-Windpark mit anfälligen Stromkonvertern
    Gaspipeline und LNG_Terminal in 3D-Grafik

    3D-Visualisierung der kritischen Infrastruktur am deutschen Küstenmeer

    Die Nord- und Ostsee sind durchzogen von wichtigen Datenkabeln und Pipelines.

    Quelle: Experteninterviews; SPW; ZDF-Illustration


    Könnte Nord Stream 2 in Betrieb gehen?

    Damit Nord Stream 2 von US-Investoren gekauft und in Betrieb gehen könnte, müssten sowohl die USA als auch die deutsche Bundesregierung eine Sondergenehmigung ausstellen. Die Hürden scheinen vor allem bei der aktuellen Bundesregierung hoch - doch Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, hat Zweifel, ob das so bleibt.

    Es gibt Netzwerke in der Union und in der SPD, die sich günstiges Erdgas über Nord Stream wünschen. Wenn das größte fossile Infrastrukturprojekt Deutschlands wieder anläuft, können wir unsere Klimaziele vergessen.

    Sascha Müller-Kraenner, Deutsche Umwelthilfe

    Das "Handelsblatt" berichtet auch über Gespräche, grünen Wasserstoff aus Finnland über ein neues Pipelinestück an Nord Stream 2 zu leiten. Doch wäre das überhaupt machbar? Grundsätzlich können Ferngasleitungen heute anstelle von Erdgas auch Wasserstoff transportieren. Vorab müssten aber - auch bei Nordstream 2 - alle Materialien, Schweißnähte und Verbindungsstücke geprüft werden, ob sie auch bei Durchleitung von Wasserstoff korrosionsbeständig sind und dicht halten. 
    Außerdem gibt es derzeit so gut wie keine Abnehmer für grünen Wasserstoff per Pipeline in Deutschland. In Finnland findet zudem so gut wie keine Erzeugung von grünem Wasserstoff statt - vor allem, weil seine Erzeugung sehr teuer ist. Die Wasserstoff-Idee scheint also eine für die ferne Zukunft zu sein.
    Bei der Explosion von Nord Stream blubberte tagelang die Ostsee - aus dem geopolitischen Projekt ist die Luft noch immer nicht raus.
    Mitarbeit: Hans Koberstein

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    Quelle: dpa

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