Nach Wahlen in Polen: Das ist der neue Regierungschef Tusk

    Regierungswechsel in Polen:Donald Tusk: Polens neuer Regierungskapitän

    von Natalie Steger und Milena Drzewiecka, Warschau
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    Kaum ein anderes polnisches Gesicht hat zuletzt so viel Aufmerksamkeit in Europa bekommen wie Donald Tusk. Er gilt als Hoffnungsträger bei seinen Anhängern. Ein Porträt.

    "Europäer, Pole, Kaschube, Ehemann, Vater, Großvater, Läufer, immer noch Fußballer und Anhänger von Lechia Gdańsk"- so stellt sich Donald Tusk auf Instagram vor. Über 400.000 User beobachten sein Profil. Wer ist derjenige, in dem so viele nach den letzten Parlamentswahlen in Polen eine Hoffnung sehen, genau?
    Tusks persönliche Geschichte erinnert etwas an den des American Dreams: von einem Durchschnittspolitiker zu einem der bekanntesten Gesichter Polens und eine der größten Hoffnungen Europas, dass man gegen Rechtspopulismus gewinnen kann.

    Tusks politischer Aufstieg in der Bürgerplattform-Partei

    Geboren 1957 in Gdańsk, als Sohn einer Sekretärin und eines Tischlers. Er wird Teil der "Solidarność"-Bewegung. Nach dem Fall des Kommunismus im Jahr 1989 startet seine politische Karriere. Und sie beschleunigt sich ab 2001, als er die liberalkonservative Partei Bürgerplattform (PO) mitbegründet. Von den drei Gründern gilt Tusk als der am wenigsten Erfahrene.
    "Ein Junge in kurzen Hosen", spotten seine Kritiker und machen Witze, dass Tusk Fußball wichtiger als politische Arbeit sei. Aber nicht die anderen, sondern Tusk wird PO-Präsidentschaftskandidat im Jahr 2005. "Ein Mann mit Prinzipien" - so sein damaliges Wahlkampfmotto - verliert gegen den PiS-Kandidaten Lech Kaczyński.

    Die Gegnerschaft mit PiS und Kaczynski

    Aber der größte politische Gegner Tusks bleibt PiS-Chef Jarosław Kaczyński. 2007 siegt die PO über PiS und Tusk wird zum ersten Mal Regierungschef Polens. Vier Jahre später gewinnt er wieder. 2014 ruft ihn Brüssel, er wird EU-Ratspräsident. Als erster aus einem der Länder der EU-Erweiterung 2004. Ein persönlicher Sieg für Tusk und ein Verlust für seine Partei.
    2015 übernimmt die PiS die Macht in Polen. Keiner von Tusks Nachfolgern hat es geschafft, die Nationalkonservativen zu besiegen. 2021 kehrt Tusk in die polnische Politik zurück. 2023 wird zwar seine Parteienkoalition nicht die Nummer eins bei den Wahlen, aber stark genug, um die Regierung mit den anderen oppositionellen Parteien gründen zu können. Mit Tusk als Regierungschef. Heutzutage redet keiner mehr von "einem Jungen in den kurzen Hosen".

    Kann Tusk die Freigabe von gestoppten EU-Geldern erreichen?

    Professor Andrzej Rychard aus der Polnischen Akademie der Wissenschaften sagt:

    Tusk ist unbestreitbar ein effektiver, leistungsfähiger und vitaler Politiker. Zusätzlich ein Politiker mit vielen Talenten, gestärkt durch seine Erfahrungen in den EU- Strukturen.

    Andrzej Rychard, Polnische Akademie der Wissenschaften

    Die Anerkennung in der EU soll Tusk helfen, das wegen des Rechtsstaatlichkeitsstreits gestoppte Geld aus dem EU-Wiederaufbaufond nach Polen zu holen. Aber diese Anerkennung ist für die PiS und ihre Wähler ein Zeichen, dass Tusk ein Handlanger für Interessen in Brüssel und Berlin ist. "Ein wahrer Feind der Nation", so Jarosław Kaczyński über Tusk.
    Doch er sagt auch: "Tusk hat viele Tölpel um sich herum, aber er selbst ist kein kompletter Tölpel." Jedem in der PiS ist klar, dass man Tusk ernst nehmen muss. Und jedem in der PO ist klar: Gegen Tusk kann man in der Partei kaum etwas erreichen.

    Politischer Umschwung nach jahrelanger PiS-Regierung

    Politisch steht Tusk für einen liberalkonservativen Kurs, seine Partei ist in Brüssel in der gleichen Fraktion wie die CDU und CSU. Seine Koalition will das Rad in Polen nach acht Jahren PiS wieder zurückdrehen. Soll heißen: Abtreibungsrecht wieder liberalisieren, die PiS-Propaganda in den öffentlich-rechtlichen Medien streichen, den Justizumbau und die politische Einflussnahme rückgängig machen.
    Und: Er will abrechnen mit seinen Vorgängern, den PiS-Umbau des Landes juristisch aufarbeiten. Er wird der gefälligere Verhandlungspartner in Brüssel, in Sachen Zwangsumverteilung von Migranten allerdings, wird auch er sich dagegen positionieren.
    Charmant in der Öffentlichkeit, hart hinter den Kulissen. Tusk gilt als Pragmatiker und Solo-Spieler, der keine Nummer zwei sein möchte. Jetzt muss er mehrere Interessen in einer Koalition in Betracht ziehen. Immerhin ist er Fußballspieler und im Fußball braucht man ein Team. Und das Team braucht einen Kapitän.

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