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Analyse
Vorschlag der Ukraine und USA:Warum Putin bei der Waffenruhe zögert
von Sebastian Ehm
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US-amerikanische Unterhändler sind in Moskau gelandet. Putin tritt martialisch in Tarnuniform auf. Das zeigt, was er von den Waffenruhe-Plänen der USA und der Ukraine hält.
Die Antwort von Wladimir Putin auf den amerikanisch-ukrainischen Vorschlag zu einer 30-tägigen Waffenruhe kam nicht in Form eines Statements. Sie kam in Form eines Auftritts bei den russischen Truppen in der umkämpften Oblast Kursk, veröffentlicht vom Kreml am späten Moskauer Abend.
Der Präsident trat in Tarnuniform auf. Die Botschaft: Putin ist nicht nur ein Staatsoberhaupt, er ist auch ein erfolgreicher Feldherr, ein Mann des Militärs.
Russland: "Kein Interesse an einer Waffenruhe"
Dass dieser Mann in den nächsten Stunden oder Tagen einer Waffenruhe mit der Ukraine zustimmen wird, erschien nach Ansicht dieser Bilder höchst fraglich. Und tatsächlich erklärte der außenpolitische Berater Putins Juri Uschakow laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax am Donnerstag - noch bevor Ergebnisse der Gespräche mit der amerikanischen Delegation öffentlich wurden -, dass Russland kein Interesse an einer Waffenruhe habe. Man sei, so die etwas nebulöse Formulierung, interessiert an einer dauerhaften Einigung.
Putin demonstriert militärische Stärke - auch durch das Auftreten in Uniform beim Gefechtsstand der Streitkräftegruppe Kursk
Quelle: action press
Was das genau bedeutet, führte Uschakow nicht aus, doch klar ist, dass in so einer Einigung zumindest teilweise Putins Maximalziele in der Ukraine enthalten sein müssen, von denen er seit Jahren spricht: Die von Russland so genannte "Denazifizierung" der Ukraine, einen Verzicht Kiews auf eine Nato-Mitgliedschaft und die Annexion der vier bereits als Teil Russlands deklarierten ukrainischen Gebieten Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja.
Kreml braucht Erfolgsmeldung
Um den Waffengang als Erfolg zu verkaufen, müsste Putin wohl zumindest Teile seiner Ziele zugesprochen bekommen. Nach dem Statement Uschakows sieht es nicht so aus als habe die US-Delegation, die heute in Moskau gelandet ist, davon etwas im Gepäck.
Bereits gestern bereiteten die Kriegsbefürworter den Weg zu dieser Entscheidung heute. Vor allem bei den Militärbloggern, die naturgemäß wenig Interesse an einem Ende des Krieges haben. Denn der ist gut fürs Geschäft. Kriegsblogger wie Rybar oder Alexander Koz leben gut vom Waffengang. Letzterer schrieb über den Vorschlag aus Kiew und Washington: "Schieben Sie sich ihre Friedensinitiative in den Arsch".
Der Kreml weiß natürlich, dass er nicht einfach einer, wie von US-Außenminister Marco Rubio geforderten, bedingungslosen Waffenruhe zustimmen kann. Das könnte er nicht nur bei den ultrapatriotischen Bloggern nicht verkaufen, sondern auch bei der Bevölkerung, die einen hohen Blutzoll entrichtet hat.
Ohne Krieg droht Russland Wirtschaftsabschwung
Doch Wladimir Putin hat noch ein weiteres Problem. Die russische Wirtschaft wurde in den vergangenen Jahren umgestellt auf Kriegswirtschaft. Für das Jahr 2025 sind 144 Milliarden Euro für den Wehretat geplant. Durch Arbeitskräftemangel sind die Löhne stark angestiegen. Für viele Russen bedeutet der Krieg also auch einen gestiegenen Lebensstandard.
Endet der Krieg wird sich die russische Wirtschaft umstellen müssen und vermutlich weniger stark wachsen. Selbst russische Medien schreiben bereits, dass ein Wirtschaftsabschwung unvermeidbar wäre. Dazu kommen Hunderttausende Soldaten, die man wieder in die Gesellschaft integrieren müsste. Zum Teil schwer verwundet und traumatisiert.
Die Alternative wäre, die Kriegswirtschaft weiterlaufen zu lassen, die Soldaten weiter zu beschäftigen. Doch eine solch hochgerüstete Armee würde in Friedenszeiten bei der Ukraine nicht zu weniger Besorgnis führen. Genau wie bei den Amerikanern.
Russlands Gesellschaft ist auf Krieg eingeschworen
Zwar hat der Kreml in den vergangenen Monaten Programme ins Leben gerufen, die sich um die Wiedereingliederung der Soldaten in die russische Gesellschaft kümmern sollen, doch bei über 600.000 Soldaten gehen diese Programme vermutlich schnell in die Knie.
Fakt ist, Wladimir Putin hat seine Bürger in den vergangenen drei Jahren eingeschworen auf einen Konflikt mit dem Westen. Die Rhetorik war scharf, die Maßnahmen, auch nach innen repressiv. Auf einen schnellen Frieden ist Putins Russland nicht besonders gut vorbereitet.
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Nach dem Statement von Uschakow sieht es weiter so aus als würde der Kreml auf Zeit spielen. Warum auch nicht? Auf dem Schlachtfeld läuft es gut für Russland, eine Waffenruhe brächte der Ukraine derzeit sehr viel mehr als Moskau. Doch da ist auch noch das freie Radikal Donald Trump.
Wie wird der US-Präsident auf eine Ablehnung der Waffenruhe reagieren? Es besteht zumindest die Möglichkeit, dass Putin und Russland in der Gunst des US-Präsidenten sinken und dann stünde man bezüglich eines möglichen Friedens wieder ganz am Anfang.
Sebastian Ehm berichtet als Korrespondent über Russland, den Kaukasus und Zentralasien
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