Wie Russland mit harten Strafen Kritiker einschüchtert
Harte Strafe gegen Kara-Mursa:Wie der Kreml die Opposition einschüchtert
von Thomas Dudek
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Wladimir Kara-Mursa muss für 25 Jahre ins Straflager. Politische Gefangene wie der Oppositionspolitiker dienen dem Kreml als abschreckendes Beispiel an die Zivilgesellschaft.
Wladimir Kara-Mursa während der Urteilsverkündung im Moskauer Stadtgericht. Archiv.
Quelle: dpa
Wie die Entscheidung eines Moskauer Gerichts auf seine Berufung ausfallen würde, dürfte Wladimir Kara-Mursa aller Wahrscheinlichkeit nach geahnt haben:
"Dessen Formel lautet: ein Einparteiensystem, Zensur, ein Marionettenparlament, die Abschaffung einer unabhängigen Justiz, die strikte Zentralisierung von Macht und Finanzen, die übertriebene Rolle der Sicherheitsdienste und Bürokratie, auch in Bezug auf die Wirtschaft. Kurz gesagt lebt der Putinismus nach den 'Konzepten' des Kremls", kritisierte der russische Oppositionspolitiker und Journalist bereits 2004 in einem Text, den er gemeinsam mit dem bekannten Oppositionspolitiker Boris Nemzow in der Nesawissimaja Gaseta veröffentlichte. Damals war Wladimir Putin gerade mal vier Jahre russischer Präsident.
Bisher härtestes Urteil gegen Oppositionelle für Kara-Mursa
19 Jahre nach diesem Text hat Kara-Mursa nun endgültig am Beispiel der Justiz die Härte des Putinimus erfahren. Nachdem im April ein Moskauer Gericht den 41-Jährigen wegen angeblichen Hochverrats, Verleumdung der russischen Armee und Zusammenarbeit mit einer unerwünschten Organisation zu 25 Jahren Straflager unter besonders harten Bedingungen verurteilt hatte, bestätigte am 1. August ein Gericht das Urteil, indem es die Berufung von Kara-Mursa ablehnte.
So die Erklärung Kara-Mursas bereits nach der Urteilsverkündung. Es ist bisher das härteste Urteil, das gegen einen Oppositionellen verkündet wurde.
Kritiker Putins werden an Berufsausübung gehindert
Mit diesem Urteil versucht der Kreml einen seiner schärfsten Kritiker mundtot zu machen, auch wenn Kara-Mursa im Westen nicht so bekannt ist wie in Russland. Der Oppositionelle kritisierte nicht nur den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine; er ist auch Mitglied des russischen Antikriegskomitees, dem unter anderem auch die im Exil lebenden Garri Kasparow und Michail Chodorkowski angehören. Und er sprach im Unterhaus des US-Bundesstaates Arizona über russische Kriegsverbrechen in der Ukraine.
Schon in den zwei Jahrzehnten zuvor war Kara-Mursa, der neben der russischen auch die britische Staatsbürgerschaft besitzt, in Russland politisch aktiv und gehörte zu den schärfsten Kritikern Putins. Eng verbunden war er mit Boris Nemzow, der im Februar 2015 unweit des Kremls erschossen wurde.
Es waren Aktivitäten, mit denen sich Kara-Mursa viele Feinde gemacht hat. Trotz seines Renommees als Journalist, hatte er seit 2012 Probleme, seinem Beruf nachzugehen.
Kritik am System Putin brachte Kara-Mursa viele politische Feinde
2015 und 2017 wurde er Opfer von Giftanschlägen, die er knapp überlebte. Seit dem vergangenen Jahr wird er vom russischen Justizministerium auf der Liste "ausländischer Agenten" geführt. Und auch der im April stattgefundene Prozess gegen ihn offenbarte, wie viele Feinde der Oppositionelle innerhalb des Putin-Systems hat.
Der vorsitzende Richter war Sergej Podoprigorow, der auf der sogenannten "Magnitski-Liste" steht. An dieser 2012 in den USA verabschiedeten und auch vom Europaparlament begrüßten Sanktionsliste hat Kara-Mursa mitgearbeitet.
Hartes Urteil als Abschreckung für andere Oppositionelle
Das harte Urteil gegen den gesundheitlich stark angeschlagenen Kara-Mursa hat jedoch noch einen anderen Aspekt als Rache an einem Regimekritiker. Yuri Borovskikh, Vorsitzender des in Berlin ansässigen Vereins "Russland hinter Gittern e.V" erklärt:
Und Kara-Mursa ist kein Einzelfall. 572 Frauen und Männer werden derzeit von der Menschenrechtsorganisation Memorial als politische Gefangene gezählt, darunter auch Kriegsgegner. Zudem führt Memorial auf seiner Liste 587 Männer und Frauen, die ohne Freiheitsentzug verfolgt werden.
Zunehmend mehr Verurteilungen wegen Hochverrats
Allein in diesem Jahr wurden bisher 80 Personen wegen Hochverrats verurteilt. Im vergangenen Jahr waren es zwei.
"Die reale Zahl ist aber noch höher, da viele Fälle erst verspätet registriert werden", erläutert Borovskikh. Und es ist eine harte Vorgehensweise, die wirkt.
"In Russland gibt es Kriegsbefürworter, ebenso wie Menschen, die aus Gleichgültigkeit schweigen", so Borovskikh. "Es existiert aber auch weiterhin eine russische Zivilgesellschaft. Doch die arbeitet im Untergrund oder musste zum Teil das Land verlassen."