"Scham soll die Seite wechseln":Wie der Fall Pelicot weltweit Hoffnung weckt
von Natalia Bieniek
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Gisèle Pelicot: Eine Frau, die die Welt verändern will. Ihr Fall entfachte eine Debatte über sexuelle Gewalt. Ein Gespräch über die Kraft von Frauen im Kampf gegen Unterdrückung.
Sie lässt sich nicht unterkriegen: Gisèle Pelicot setzt ein Zeichen für Mut und Widerstand.
Quelle: Reuters
Sie ist die Frau, die sich nicht zum Opfer stilisieren lassen will - Gisèle Pelicot. Und das in einem Szenario, das so ungeheuerlich ist, dass es unfassbar erscheint: Ihr Mann setzte die Anfang 70-Jährige jahrelang unter Drogen und ließ sie mehrere hundert Mal von Männern vergewaltigen. Er ist Hauptangeklagter in dem Prozess. Neben ihm stehen 50 weitere Männer vor Gericht. Der Fall schlägt weit über die Grenzen der französischen Stadt Avignon Wellen. Doch Pelicots Geschichte sorgt nicht nur für Schock, sondern weckt auch Hoffnungen.
Genau darüber - über Mut und Widerstand - diskutieren ZDF-Sonderkorrespondentin Katrin Eigendorf und Journalistin Jagoda Marinić in der neuen Folge des auslandsjournal Podcast "Global Deep Dive". Gemeinsam mit der ZDF-Korrespondentin Anne Arend blicken sie auf den Pelicot-Prozess und seine Auswirkungen auf die Welt.
... sprechen die internationale ZDF-Sonderkorrespondentin Katrin Eigendorf und Journalistin Jagoda Marinić darüber, wie sie auf die Krisen und Konflikte unserer Zeit blicken. Zu hören überall, wo es Podcasts gibt: Global Deep Dive: Außenpolitik anders denken - ZDFmediathek
Tausende Menschen haben heute in Frankreich gegen sexualisierte Gewalt an Frauen protestiert. Hintergrund ist der Fall von Gisele Pelicot, der seit Monaten aufwühlt.23.11.2024 | 1:39 min
Pelicot gibt Vergewaltigungsopfern ein Gesicht
"Bei allem, was es an Bedrohungsszenarien gibt, nämlich dass Frauen erleben müssen, wie Frauenrechte rückabgewickelt werden, (…) was mir derzeit Hoffnung macht, ist: Die Frauen drehen es gerade und das mit einer unglaublichen Kraft", sagt Autorin und Moderatorin Jagoda Marinić. Auch Katrin Eigendorf findet: "Dieser Glaube und diese Kraft daran im Recht zu sein - das ist das, wovon die meiste Kraft zu Veränderung ausgeht."
Denn Gisèle Pelicot ist zu einer Kämpferin, für viele zu einer Heldin geworden: Sie will, dass der Prozess nicht hinter verschlossenen Türen stattfindet, dass die Öffentlichkeit daran teilnimmt. "Die Scham muss die Seiten wechseln", erklärt Pélicot entschlossen. ZDF-Korrespondentin Anne Arend hat den Prozess in Frankreich von Anfang an verfolgt:
Der Vergewaltigungsprozess von Avignon geht in die entscheidende Phase. Der Fall hat Frankreich erschüttert. Wie verändert er das Land?20.11.2024 | 6:25 min
Pelicot ermutigt betroffene Frauen
Die Scham soll die Seite wechseln: Dieses Kalkül sei aufgegangen. Einige der Männer im Gerichtssaal verhüllen sich, wollen offenbar nicht erkannt werden. Sie müssen immer wieder durch dieselbe Lobby gehen, wo auch die Frauen für Gisèle applaudieren. Denn sowohl das mediale als auch das gesellschaftliche Interesse ist enorm, sagt Arend. Sie habe eine Gruppe von Frauen kennengelernt, die sich abwechseln, weil sie arbeiten, um sich gegenseitig auf dem Laufen zu halten. Schwestern, die aus der Bretagne angereist sind. Oder auch eine Mutter mit ihren Kindern, die auf sexualisierte Gewalt in ihrem direkten Umfeld aufmerksam machen will.
Und genau das will Pelicot erreichen: Betroffenen Mut machen und ihnen das Gefühl geben, dass sie nicht allein sind. Man merke schon jetzt, dass der Fall in Frankreich große Wirkung zeigt, sagt Arend. So gab es Proteste gegen sexuelle Gewalt, die mehr Teilnehmer und Teilnehmerinnen anzogen als vorangegangene Demonstrationen gegen die Regierung. Aktivisten und Aktivistinnen fordern eine Gesetzesänderung, die eine ausdrückliche Zustimmung zu sexuellen Kontakten vorschreibt - ja heißt ja -, ähnlich wie die Regelung in Spanien.
In Deutschland ist jede sexuelle Handlung gegen den erkennbaren Willen einer Person strafbar. ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke über Formen der Ablehnung, die als "Nein" gelten.
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Täter kommen oft aus direktem Umfeld
Es werde viel über die Gefahren im öffentlichen Raum gesprochen oder über die vermeintliche Bedrohung durch Zuwanderung, aber eine der häufigsten Formen sexueller Gewalt, nämlich im familiären und beruflichen Umfeld, bleibt oft im Dunkeln. Sie werde in den Medien kaum thematisiert, kritisiert Jagoda Marinić.
Dabei sind die Täter im Fall Pelicot ein Querschnitt der Gesellschaft - es sind Männer aus den unterschiedlichsten beruflichen und sozialen Milieus. Das zeigt, wie tief Gewalt und Machtmissbrauch in den Strukturen unserer Gesellschaft verwurzelt sind und wie dringend es ist, endlich das Bewusstsein dafür zu schärfen, folgern die Journalisten.
Natalia Bieniek ist ZDF-Volontärin, u.a. in der auslandsjournal-Redaktion.
Im Vergewaltigungsprozess von Avignon hat das Plädoyer der Staatsanwaltschaft begonnen. Sie fordert die Höchststrafe von 20 Jahre Haft für den Hauptangeklagten Dominique Pelicot.25.11.2024 | 1:29 min
Quelle: ZDF
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