Sterbehilfe: Britisches Parlament bringt Gesetz auf den Weg

    Für unheilbar Kranke:Britisches Parlament: Ja zu Sterbehilfe

    von Johanna Sethe
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    Die Mehrheit der Abgeordneten im britischen Unterhaus hat einem Gesetzesentwurf zur Legalisierung der Sterbehilfe zugestimmt. Der Vorschlag verspricht ein striktes Regelwerk.

    Ein großes Protestplakat mit der Aufschrift:"Suicide Is Self Murder, Dont Go To Hell"
    Das britische Parlament macht den Weg frei für Sterbehilfe: Vor allem unheilbar Kranke sollen entscheiden dürfen, wie sie sterben möchten.
    Quelle: dpa

    Es ist das erste Mal seit fast zehn Jahren, dass über Sterbehilfe in Großbritannien im Parlament entschieden worden ist. In einer freien Abstimmung, also unabhängig von ihrer Parteilinie, sollten die Abgeordneten des britischen Unterhauses über einen Gesetzentwurf abstimmen, der es unheilbar Kranken, die nur noch weniger als sechs Monate zu leben haben, in England und Wales erstmals erlauben soll, Sterbehilfe zu bekommen. Das Ergebnis: 330 Abgeordnete stimmten für die Legalisierung, 275 dagegen.
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    Kim Leadbeater, die Abgeordnete der Labour-Partei, die den Entwurf Mitte Oktober vorgestellt hatte, argumentierte zum Auftakt der vorherigen, fünfstündigen Debatte für das Recht auf Selbstbestimmung:

    Wir sprechen nicht von einer Entscheidung zwischen Leben und Tod. Wir sprechen davon, Menschen, die sterben müssen, das Recht zu gewähren zu entscheiden, wie sie sterben wollen.

    Kim Leadbeater, Abgeordnete der Labour-Partei

    Bis jetzt ist Sterbehilfe in Großbritannien verboten. Bis zu 14 Jahre Gefängnis drohen jenen, die Beihilfe zum Suizid leisten - vor allem, wenn dahinter finanzielle Vorteile zu vermuten sind, eine hohe Erbschaft etwa.
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    Strenge Auflagen für Patienten

    Ob ein Patient Sterbehilfe in Anspruch nehmen kann, soll Leadbeaters Gesetzesentwurf zufolge an strenge Bedingungen geknüpft sein:
    • Er muss seit mindestens zwölf Monaten in England oder Wales leben und bei einem Hausarzt registriert sein
    • Er muss über 18 Jahre alt und so unheilbar krank sein, dass seine Lebenserwartung nicht mehr als sechs Monate beträgt
    • Zwei unabhängige Ärzte müssen das prüfen und sicherstellen, dass der Patient psychisch in der Lage ist, seinen Todeswunsch frei von äußeren Zwängen zu formulieren und dabei über alle möglichen Alternativen informiert ist
    • Schließlich muss eine Richterin des High Court zustimmen
    Zwischen den einzelnen Schritten muss teilweise eine gewisse Bedenkzeit vergehen. Betroffene sollen ihre Meinung so jederzeit ändern können. Unter den anderen Staaten, die Sterbehilfe erlauben, wäre das Gesetz damit eines der striktesten weltweit.
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    Zum Vergleich: In der Schweiz etwa können auch Menschen aus dem Ausland das Recht auf Sterbehilfe in Anspruch nehmen. In mehreren Ländern, darunter Österreich, Spanien und die Niederlande, ist das Recht auf selbstbestimmtes Sterben nicht auf unheilbar Krankheiten beschränkt.

    Bis zuletzt gespaltene Meinungen

    Bis zuletzt hatte ein Großteil der britischen Abgeordneten sich unentschlossen darüber gezeigt, wie sie heute abstimmen würden. Eine zentrale Befürchtung der Gegner: Unheilbar kranke Menschen könnten sich schlimmstenfalls in den Tod gedrängt fühlen, weil sie ihren Angehörigen nicht zur Last fallen wollen. Lieber solle man in bessere Palliativpflege investieren.
    Zweifel gab es auch an der praktischen Umsetzbarkeit. Gesundheitsminister Wes Streeting etwa sprach sich gegen das Gesetz aus und warnte vor hohen Kosten für das Gesundheitssystem, die zu Kürzungen an anderer Stelle führen würden.

    Palliativpflege kann manche Leiden nicht lindern

    Aber: Das Recht auf Sterbehilfe für unheilbar Kranke trifft in der britischen Bevölkerung auf breite Unterstützung, knapp 74 Prozent sprechen sich laut einer Umfrage der Organisation Humanists UK dafür aus.
    Fakt ist auch: in Großbritannien sterben laut einer Studie täglich etwa 20 unheilbar kranke Menschen mit unerträglichen Schmerzen, bei jeder vierten Person reicht Palliativpflege nicht, um Schmerzen zu lindern.
    Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, stellt mit Ute Lewitzka, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention, die Nationale Suizidpräventionsstrategie der Bundesregierung vor.
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    "Es ist wichtig zu verstehen, wie groß der Unterschied zwischen Suizid und Sterbehilfe ist", sagt Trevor Moore, Vorsitzender der Initiative "My Death, My Decision". Als Trauerredner habe er Hinterbliebene mit verschiedenen Schicksalen begleitet und betont: "Suizide werden meist geheim durchgeführt, sind impulsive Entscheidungen, auch wenn die Person einen Todeswunsch hat."

    Bei Sterbehilfe dagegen wollen die meisten Betroffenen nicht sterben, sie wollen ihr Leiden beenden. Nicht heimlich, sondern ruhig und würdevoll.

    Trevor Moore, Vorsitzender der Initiative "My Death, My Decision"

    Weitere Schritte frühestens 2025

    Mit dem positiven Abstimmungsergebnis bei der Lesung ist das Gesetz noch nicht verabschiedet, schafft es aber in die nächste parlamentarische Phase.
    Ein Ausschuss von Abgeordneten wird die genauen Auswirkungen und die Umsetzbarkeit in den kommenden Monaten prüfen.

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