Inzwischen mehr als 1.000 Tote:EU und Berlin verurteilen Gewalt in Syrien
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Die Gewalt in Syrien eskaliert. Menschenrechtler sprechen von über 1.000 Toten und "Massakern" unter Angehörigen der Alawiten-Minderheit. Die EU und Berlin verurteilten die Gewalt.
In Syrien sind Kämpfe zwischen Anhängern des gestürzten Präsidenten Assad und der neuen islamistischen Regierung eskaliert.08.03.2025 | 1:28 min
Die Hoffnungen auf neue Stabilität in Syrien haben sich vorerst zerschlagen: Drei Monate nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad erschüttert neue Gewalt das arabische Land. Nach Schätzungen von Aktivisten wurden dabei mehr als 1.000 Menschen getötet, darunter etwa 750 Zivilisten. Sicherheitskräfte der islamistischen Übergangsregierung hätten dabei regelrechte "Massaker" unter den Angehörigen der religiösen Minderheit der Alawiten angerichtet, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Die Opferzahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Angaben der Beobachtungsstelle mit Sitz in London, die das Kriegsgeschehen in Syrien mit einem Netz aus Informanten verfolgt, gelten aber als in der Regel verlässlich. Die Übergangsregierung veröffentlichte bisher keine Opferzahlen.
Auswärtiges Amt fordert Ende der Gewalt
Die EU erklärte, man verurteile jegliche Gewalt gegen Zivilisten. Auch das Auswärtige Amt in Berlin sprach von "schockierenden" Berichten über die Ermordung von Zivilisten und Gefangenen und appellierte an Syriens Übergangsregierung und forderte alle Seiten zu einem Ende der Gewalt auf:
Die Übergangsregierung steht in der Verantwortung, weitere Übergriffe zu verhindern, die Vorfälle aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
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Mitteilung des Auswärtigen Amtes
Die Zukunft des Landes müsse in den Händen aller Syrerinnen und Syrer liegen, egal welcher Ethnie, Religion oder welchen Geschlechts, erklärte das Auswärtige Amt.
Freiheit nach 13 Jahren Krieg. Euphorie, Schmerz und Misstrauen bestimmen Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes. Eine Reise durch ein Land, das wieder zusammenfinden muss.06.02.2025 | 30:03 min
Der Minderheit der alawitischen Religionsgemeinschaft gehört auch Ex-Präsident Assad an. Viele von ihnen leben in der Provinz Latakia am Mittelmeer. Die Assad-Familie hatte in Syrien mehr als fünf Jahrzehnte mit brutalsten Methoden geherrscht. Nach dem Sturz Assads, der im Dezember nach Russland floh, gab es bereits Sorge vor Zusammenstößen zwischen Anhängern Assads und Verbündeten der Übergangsregierung mit Sitz in Damaskus.
Präsident spricht von "erwarteten Herausforderungen"
Syriens Präsident Ahmed al-Scharaa sagte, die Ereignisse seien "im Rahmen der erwarteten Herausforderungen". Bei einer Rede in einer Moschee rief er zur nationalen Einheit auf und sagte, die syrischen Gemeinden könnten friedlich zusammenleben.
Ahmad al-Scharaa, besser bekannt unter seinem Kampfnamen "Abu Mohammad al-Dschulani": Bis vor Kurzem war er einer der meistgesuchten Männer der Welt – Kopfgeld: zehn Millionen US-Dollar.17.01.2025 | 17:38 min
Das Blutvergießen hatte am Donnerstag begonnen. Nach Darstellung der neuen Machthaber überfielen bewaffnete Anhänger der gestürzten Assad-Regierung Sicherheitskräfte nahe der Küstenstadt Dschabla in der Provinz Latakia. Die Angriffe schienen koordiniert zu sein, schrieb das Institut für Kriegsstudien (ISW) in Washington. Am Freitag verlegte die Übergangsregierung deswegen größere Truppenkontingente in die Region. Seitens der Regierungstruppen seien Artilleriegeschütze, Panzer und Raketenwerfer eingesetzt worden, hieß es.
Angst unter den Alawiten
Vor allem unter den Alawiten seien Angst und Schrecken weit verbreitet, sagte ein Bewohner. "Es gibt viele Übergriffe und Tötungen aufgrund der Religionszugehörigkeit." Die Beobachtungsstelle für Menschenrechte sprach von Massakern in 29 Orten der Gouvernements Latakia, Tartus, Hama und Homs und warf Kämpfern der islamistischen Übergangsregierung Kriegsverbrechen vor.
Wo steht Syrien nach dem Sturz von Machthaber Assad? Wie geht es der verarmten Bevölkerung heute und was ist von der Übergangsregierung zu erwarten?06.02.2025 | 2:28 min
Die Assad-Anhänger würden versuchen, diese Morde zu nutzen, um Minderheitengruppen zu mobilisieren, heißt es in einem Bericht des ISW. Vor allem unter den Alawiten wachse das Gefühl, dass die Interimsregierung sie unterdrückt und ausgrenzt. Für Übergangspräsident al-Scharaa sind die Auseinandersetzungen die erste große Prüfung. Der frühere Rebellenchef hatte sich am Freitagabend an die Bevölkerung gewandt und erklärt, Überbleibsel der Ex-Regierung hätten mit ihren Angriffen versucht, "das neue Syrien zu testen".