Dokumentation über Ukraine-Krieg: Soldaten geben Einblicke

    Einblicke in den Ukraine-Krieg:Die Angst der Soldaten vorm Feind im Wald

    von Dara Hassanzadeh
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    Soldaten des ukrainischen Bataillons "Berlingo" wurden mit Bodycams ausgerüstet. Neun Wochen filmten sie bei ihren Einsätzen an der Ostfront - und geben ungefilterte Einblicke.

    Doku | ZDFinfo Doku
    :Der Feind in den Wäldern - Ostfront Ukraine

    November 2023. In einem Waldstück in der Nähe von Kupjansk an der ukrainischen Ostfront verteidigt das Bataillon Berlingo eine strategisch wichtige Eisenbahnlinie gegen russische Angreifer.
    Gegenlichtaufnahme: Ein Soldat steht in einem Wald und schaut in die Kamera.
    59:25 min
    Winter 2023. Zugefrorener Waldboden. Viele der dünnen Kiefern wurden von Artilleriegeschossen getroffen, die abgebrochenen Stämme sehen wie abgeknickte Streichhölzer aus. Manche Bäume sind mit grünem Plastikband gekennzeichnet. Es sind Wegmarkierungen für die ukrainischen Soldaten, um zu den mitten im Wald ausgehobenen Stellungen zu gelangen. Diese kleinen Verschläge sind der Vorposten, wo es zum ersten Feindkontakt mit vorrückenden russischen Einheiten kommen wird.
    Die in vorderster Front postierten Soldaten filmen sich selbst. Auf ihren Helmen sind Go-Pro-Kameras angebracht und zeichnen ohne Unterbrechung auf. Man hört ihr Keuchen, Explosionen, spürt ihre Angst - im Gefecht, aber auch in der Zeit des Wartens auf russische Angriffe. Es sind ungefilterte Einblicke in ihre Gespräche, in ihren Funkkontakt, in das Leben der Soldaten im Kampf.
    USA, New York: Der designierte US-Präsident Donald Trump (r), gibt dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei einem Treffen die Hand. Archivbild
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    Für 500 Meter der Frontlinie verantwortlich

    Zehn Mann umfasst die Einheit des Bataillons "Berlingo", in die die Doku "Der Feind in den Wäldern" einen Einblick gibt. Ihr Leben dreht sich um einen 500 Meter langen Frontabschnitt im Gebiet Kupjansk an der Ostfront. 500 Meter dieser inzwischen 1.500 Kilometer langen Front in der Ukraine muss das Bataillon verteidigen.
    Bereits auf den Weg zu den vordersten Stellungen gerät der Trupp unter Beschuss. "Wir teilen uns auf, dann erwischen sie nicht alle von uns auf einmal", sagt ein Infanterist, der zur Stellung eilt. "Während dich die eine Drohne verfolgt, kommt gleich die zweite und wirft ihre Granate ab", ruft sein Kamerad.
    Der Frontabschnitt, für den die Einheit verantwortlich ist, hat strategische Bedeutung. Denn bei einem Durchbruch könnte die russische Armee eine Eisenbahnlinie einnehmen und dadurch schnell tiefer vorrücken.
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    Im Wald ist der Feind fast unsichtbar

    Auch deshalb greift Russland - wie fast überall an der Ostfront - nahezu ohne Unterbrechung an. In kleinen Einheiten.

    Der Wald ist so unübersichtlich. Der Feind ist hier so gut wie unsichtbar.

    Wowan, Kommandeur der Einheit

    Der Feind könne bis auf 30 Meter herankommen "und Du siehst ihn nicht", sagt Wowan als Kommandeur der Einheit.
    Seine subjektive Helmkamera filmt den vor ihm liegenden Wald. Das Dickicht. Plötzlich wird geschossen. Die Nervosität der Soldaten ist groß. Im Zweifel feuern sie Maschinengewehrsalven ab, selbst wenn sie nicht sicher sind, ob die Bewegung von Ästen von russischen Soldaten herrühren oder von Tieren oder dem Wind.
    Anne Brühl | ZDF-Reporterin in Kiew
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    Wenn das Mündungsfeuer die Position verraten kann

    Darin liegt jedoch eine Gefahr für die Verteidiger, denn ihr Mündungsfeuer wie der Lärm der Schüsse kann ihre Position, ihr Versteck verraten. Es ist eine Entscheidung, die Frontsoldaten in Bruchteilen von Sekunden abwägen müssen. Es ist eine Entscheidung, von der ihr Überleben abhängen kann.
    Das Bataillon "Berlingo" verteidigt den Frontabschnitt mit 99 Soldaten. Sie rotieren zwischen den vordersten Stellungen und ihrem Hauptquartier, das einige Kilometer von der Front entfernt liegt. Dort "erholen" sie sich von ihren Kampfeinsätzen, bei denen Soldaten teilweise bis zu drei Tagen im Wald bleiben müssen. Im Wald schlafen sie in Verschlägen, die eher Erdlöchern gleichen. Duschen, Medikamente und eine Sanitäterin, die sich um kleinere Verletzungen oder Krankheiten kümmert, gibt es nur im Hauptquartier.
    In einem blau ausgeleuchteten Raum stehen drei Personen auf einer Bühne und machen Musik.
    Die südukrainische Frontstadt Cherson steht täglich unter Beschuss. Dennoch finden im Schauspiel-Theater mitten in der Todeszone Aufführungen statt.03.02.2025 | 6:44 min

    Was die Soldaten hoffen

    Schonungslos zeigen die Helmkameras, wie verletzte Soldaten auf Tragen aus dem Wald transportiert werden. Sie filmen auch, wie sie auf ihren Wegen durch den Wald erfrorene Leichname finden von vergangenen Gefechten. Sie müssen erst den Schnee entfernen, um feststellen zu können, ob der Tote zur eigenen oder zur feindlichen Armee gehört. Es sind schwer erträgliche Aufnahmen.
    Erst wenn die Soldaten im Hauptquartier wieder zur Ruhe gekommen sind, sprechen sie über das Erlebte. Und über ihre Hoffnungen. "Ich wünschte, der Krieg wäre endlich vorbei, damit ich meine Kinder aufwachsen sehe", sagt Wowan, der Kommandeur.
    Ein ukrainischer Kriegsveteran fährt zusammen mit seinem Skilehrer Tellerlift
    Im Skiressort Bukovel können sich ukrainische Soldaten eine Auszeit vom Krieg nehmen. Mit ihren Familien erholen sich hier kurzzeitig vom Grauen an der Front.05.02.2025 | 6:25 min
    Von 99 Soldaten wurden 66 in Kämpfen um diesen 500 Meter langen Frontabschnitt verletzt. Zehn Soldaten der Einheit sind inzwischen bei Kämpfen gestorben. Nicht alle an diesem Frontabschnitt, denn die Einheit wurde verlegt. Unter den gefallenen Soldaten ist auch Wowan.
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