Gespräche im Ukraine-Krieg? Was eine Friedensforscherin sagt

    Interview

    Friedenschance im Ukraine-Krieg?:"Vorsichtig die Wassertemperatur testen"

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    Mit Aussagen zu Friedensgesprächen im Ukraine-Krieg sorgt Olaf Scholz für Kritik. Seine Haltung sei nicht neu, sagt eine Friedensforscherin - und wirbt für vorsichtige Schritte.

    Hessen, Frankfurt/Main: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r) und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, treffen sich zu einem bilateralen Gespräch auf dem Flughafen in Frankfurt.
    Kanzler Scholz fordert verstärkte Friedensbemühungen im Ukraine-Krieg. Friedensforscherin Deitelhoff sieht Bewegung auch auf russischer Seite. Putin habe seine Offerte verbessert.09.09.2024 | 13:11 min
    "Ich glaube, das ist jetzt der Moment, in dem man auch darüber diskutieren muss, wie wir aus dieser Kriegssituation doch zügiger zu einem Frieden kommen, als das gegenwärtig den Eindruck macht", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz im ZDF-Sommerinterview zu möglichen Verhandlungen über Frieden in der Ukraine. Seitdem sorgen die Aussagen des Kanzlers für Gesprächsstoff.
    Was dies für die Ukraine bedeutet, erklärt Nicole Deitelhoff, Direktorin des Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung im Interview mit ZDFheute live.
    Sehen Sie oben das Interview in voller Länge oder lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Deitelhoff zu ...

    … der Frage, ob diese Aussagen einen Kurswechsel des Kanzlers bedeuten

    Nein, ich glaube wirklich nicht, dass es ein Kurswechsel ist.

    Nicole Deitelhoff, Friedensforscherin

    Vielmehr erlebe man eine Entwicklung, die zu Beginn des Jahres ihren Anfang genommen habe und sich jetzt womöglich noch einmal beschleunige. Die Aussagen des Kanzlers passen laut Deitelhoff in eine ganze Reihe von ähnlichen Signalen und Statements anderer Staaten.
    Roderich Kiesewetter
    Kanzler Scholz fordert Gespräche über Frieden in der Ukraine, an denen auch Russland teilnehmen soll. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter kritisiert das als falsch.09.09.2024 | 0:35 min
    Auch Wolodymyr Selenskyj habe zuletzt eher von einem Ende des Krieges gesprochen und davon, Putin an einen Verhandlungstisch zu zwingen und nicht mehr unbedingt von Sieg und Niederlage. Es ginge nun um die Vorbereitung einer zweiten Friedenskonferenz - diesmal mit Russland.

    Da hat Scholz eigentlich nichts Neues gesagt.

    Nicole Deitelhoff, Friedensforscherin

    Der Kanzler habe jedoch deutlich gemacht, dass man mehr Energie in den Prozess bringen müsse.
    Frau in einer Suppenküche, die Gemüse schält, um sie zur Suppe zu verarbeiten.
    Nicht nur mit neuen Waffensystemen und Munition werden ukrainische Kämpfer versorgt. Ehrenamtliche Helfer versorgen Soldatinnen und Soldaten mit selbstgemachten Tütensuppen.09.09.2024 | 2:08 min

    … der Situation in der Ukraine und an der Front

    "Ich glaube, das sind noch keine Grundlagen für Friedensverhandlungen", sagt die Friedensforscherin. Man sehe aber in der Entwicklung der militärischen Auseinandersetzungen, dass beide Seiten momentan Verhandlungspositionen aufbauen würden.
    Dabei verweist die Expertin auch auf die strategische Bedeutung der ukrainischen Kursk-Offensive: Die Ukraine versuche hier ein Stück russisches Territorium unter ihre Kontrolle zu bringen, "um es dann eventuell auf den Verhandlungstisch legen zu können".
    Studiogespräch mit Ulf Röller.
    Selenskyjs persönlicher Auftritt in Ramstein sei "ein Hilferuf“, so Korrespondent Röller.06.09.2024 | 4:03 min

    … einer möglichen Strategieänderung Putins

    Wir wissen eigentlich nicht, wie die russischen Reserven aussehen, wie die Lage innerhalb der Streitkräfte ist.

    Nicole Deitelhoff, Friedensforscherin

    Deitelhoff geht davon aus, dass auch Russland sehe, "dass dieser Konflikt in naher Zukunft nicht militärisch zu entscheiden ist und deswegen auch nach Exit-Strategien sucht". Man sehe einen Prozess, in dem auch die Konfliktparteien selber anfingen auszuloten, ob nicht doch ein Waffenstillstand oder Friedensverhandlungen reelle Optionen seien.
    Gleichwohl sei schwer zu sagen, ob Russlands Präsident Wladimir Putin seine Ziele geändert habe. Aber vielleicht habe sich seine Einschätzung verändert, ob er seine Ziele tatsächlich realisieren kann oder ob er nicht mehr zu gewinnen habe, wenn er jetzt doch auf die Karte Verhandlungen setze, sagt Deitelhoff.
    Die jüngste Offerte von Putin, zu sagen, man wäre bereit, zu Gesprächen auf der Grundlage der Istanbuler Verhandlung aus dem Frühjahr 2022, sei jedoch eine Verbesserung der früheren Angebote, etwa aus dem Kontext der Bürgenstock-Konferenz, wo es noch darum gegangen sei, eigentlich ein Diktat vorzusehen.
    Ukraine-Kontaktgruppe
    Deutschland kündigt die Lieferung von 12 weiteren Panzerhaubitzen für die Ukraine an. 06.09.2024 | 1:43 min

    … möglichen innenpolitischen Erwägungen für Scholz' Aussagen

    Die Friedensforscherin geht davon aus, dass die Aussagen ein deutliches Signal des Kanzlers sein sollten, zu sagen, dass die Agenda für Friedensverhandlungen eigentlich seine Agenda sei.
    "Ich würde schon sagen, er reagiert auf die Wahlgewinne, die BSW, die auch die AfD in Sachsen und Thüringen gemacht haben und versucht deutlich zu machen, dass auch die SPD für einen Kurs steht, der selbstverständlich auf Friedensverhandlungen hinausläuft", so Deitelhoff.
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    Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak verteidigte die Entscheidung Kiews, Russland zu der Ukraine-Friedenskonferenz nicht einzuladen.30.05.2024 | 1:59 min

    … den Chancen möglicher Friedensgespräche

    Es gehe darum, "jetzt mal vorsichtig die Wassertemperatur zu testen und zu gucken, wo man denn damit hinkommt", erklärt die Expertin. Man müsse jetzt mit beiden Konfliktparteien vertraulich das Gespräch suchen und ausloten, wie viel Offenheit wirklich vorhanden sei und wie viel Bereitschaft, über Dinge auch tatsächlich zu verhandeln.
    Dies sei aber ein langwieriger Prozess und nichts, was innerhalb weniger Monate abgeschlossen werden könne.

    Der Auftakt wird allein vermutlich schon ein Jahr dauern und dann werden wir Verhandlungen über die nächsten Jahre sehen.

    Nicole Deitelhoff, Friedensforscherin

    Das Interview führte Philip Wortmann, zusammengefasst hat es Jan Schüßler.
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