Trump baut USA um: Was passiert da, Frau Applebaum?
Interview
Historikerin zu Staatsapparatumbau:Was passiert da in den USA, Frau Applebaum?
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Am 20. Januar wurde Trump das zweite Mal als Präsident vereidigt. Seitdem hat er keine Zeit verloren, die USA umzugestalten. Historikerin Applebaum erklärt im ZDF die Hintergründe.
Die USA seien zwar "immer noch eine Demokratie", aber Trump und sein Team würden versuchen, die Regeln des politischen Systems zu ändern, sagt die Historikerin Anne Applebaum. 09.03.2025 | 8:46 min
Gut sechs Wochen ist Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten erst im Amt - und treibt seither den Umbau des Staatsapparats samt Massenentlassungen voran. Unterstützung bekommt er dabei von Tech-Milliardär Elon Musk, der das Kostensenkungs-Gremium Doge (Department of Government Efficiency) leitet.
Aber nicht nur innenpolitisch holt Trump zum Rundumschlag aus. Auch seine Kehrtwende in der Ukraine-Politik der USA sorgt vor allem in Europa für Entsetzen. Was passiert da in den USA?
Pulitzerpreisträgerin und Historikerin Anne Applebaum stellt im Gespräch mit dem heute journal klar, dass die USA trotz dieser Entwicklungen immer noch eine Demokratie seien:
Wir haben immer noch Redefreiheit. Wir haben immer noch Rechte. Wir haben immer noch eine legale Opposition.
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Anne Applebaum, Historikerin
Quelle: ZDF
... wurde als Kind jüdischer Eltern in den USA geboren. Neben der US-amerikanischen besitzt sie auch die polnische Staatsbürgerschaft. Sie ist mit Radoslaw Sikorski verheiratet, dem heutigen Außenminister Polens. Sie arbeitet als Journalistin und schrieb Bücher wie "Der Gulag" (2003), "Der Eiserne Vorhang" (2012), "Die Verlockung des Autoritären" (2021) und zuletzt "Die Achse der Autokraten" (2024).
Quelle: dpa
Applebaum räumt aber ein, dass man in den USA nun einen Präsidenten "und eine Gruppe von Leuten um ihn herum" habe, die ähnlich wie Autokraten versuchten, die Regeln des politischen Systems zu ändern.
Als Beispiel führt Applebaum den Versuch an, mit Hilfe von Bundesmitteln Einfluss darauf zu nehmen, was an Universitäten gelehrt oder gesagt werden darf. Die Historikerin spricht von "einen sehr bedeutenden Bruch mit allen bisherigen amerikanischen Präsidentschaften".
Stellenabbau bei Behörden, Musk als treibende Kraft ohne politisches Mandat, Anzweifeln von Gerichtsurteilen, die Trumps Kurs widersprechen. Will der US-Präsident eine Autokratie? 09.03.2025 | 3:23 min
Applebaum: Entscheidungsrolle von Musk "beispiellos"
Über mögliche Motive möchte Appelbaum dabei zwar nicht spekulieren, hält es aber für möglich, dass hinter den Anstrengungen "einiger Leute" finanzielle Motive stecken könnten. Namentlich nennt sie hier Elon Musk, der das "Zahlungssystem des Finanzministeriums übernommen" habe und von dort aus Entscheidungen treffe.
Es sei "beispiellos", dass jemand wie Musk, der durch Unternehmen wie Starlink, Tesla oder SpaceX große Interessenkonflikte habe, diese Art von Entscheidungen treffe.
Es sieht so aus, als ob es bei dem, was sie tun, zum Teil darum geht, sehr große Steuersenkungen zu erreichen, die wohlhabenden Menschen zugutekommen würden.
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Anne Applebaum, Historikerin
Der US-Präsident geht mit der Brechstange gegen zehntausende Bundesbeamte vor, die sein neuer Effizienz-Beauftragter, Tech-Milliardär Musk, "Marxisten" und "Amerika-Hasser" nennt.06.02.2025 | 2:29 min
Applebaum: "In Amerika gab es noch nie Oligarchen wie in Russland"
Parallelen zum Einfluss von Oligarchen möchte Applebaum mit Blick auf die Rolle von Tech-Milliardären in den USA aber nicht ziehen: "In Amerika gab es noch nie Oligarchen wie in Russland, das heißt Menschen, die sowohl über große politische als auch wirtschaftliche Macht verfügen und diese gleichzeitig ausüben." Außerdem habe es bereits in der Vergangenheit "reiche Leute" gegeben, die Einfluss auf die Regierung hatten.
Das ist nicht ungewöhnlich, und es ist in keinem Land ungewöhnlich.
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Anne Applebaum, Historikerin
Dass jedoch Milliardäre darüber entschieden, wer finanziert und wie Geld ausgegeben werde, das sei in der Tat etwas Neues. Ob das mit Trumps Bewunderung für Russland zusammenhinge oder mit dessen politischen oder finanziellen Verbindungen zu tun habe, sei schwer zu sagen.
Es stimmt, dass Donald Trump politische Führer bewundert, die sowohl wohlhabend als auch mächtig sind.
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Anne Applebaum, Historikerin
Trump verstehe "diese Kombination" als etwas, das dem traditionellen amerikanischen Modell vorzuziehen sei, bei dem US-Präsidenten zwar sehr oft wohlhabende Männer seien, aber eben keine Milliardäre.
Distanz zur Ukraine, Annäherung mit Russland. Trump übernimmt Putins Narrativ: Die Ukraine sei für den Krieg verantwortlich, Selenskyj ein Diktator. Der spricht von Desinformation.19.02.2025 | 3:01 min
Applebaum: USA im Moment "zerrüttet"
Angesprochen auf die Reaktion der politischen Opposition glaubt Applebaum, dass die USA sich in einem Moment befänden, "in dem alles sehr, sehr zerrüttet zu sein scheint". Dennoch sieht sie bereits jetzt Gegenreaktionen: "Sie sehen Proteste gegen Tesla, gegen Tesla-Vertriebspartner. Im ganzen Land gibt es Proteste", sagt Applebaum und ergänzt:
Das liegt daran, dass die Menschen Musk als die Ursache des Problems identifiziert haben.
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Anne Applebaum, Historikerin
Missliebige Beamte werden entlassen, unabhängige Institutionen klein gespart. Im Namen des Bürokratieabbaus greift Musk durch. Die Kollateralschäden treffen Bürgerinnen und Bürger.26.02.2025 | 6:45 min
Vor der Wahl hätten die Amerikaner "einfach nicht geglaubt", was passieren könnte. Nun sei es schwierig, die "richtige Sprache und die richtige Art und Weise des Protests zu finden". Applebaum merkt den mangelnden Einfluss der Demokraten im Kongress und ihre fehlende Kontrolle über Gerichte an. Dazu sagt die Historikerin:
Wir müssen einfach abwarten - wir müssen hoffen, dass das Gerichtssystem anspringt und funktioniert.
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Anne Applebaum, Historikerin
"Wir müssen hoffen, dass die Menschen, die in der Regierung und auch in der Privatwirtschaft arbeiten, anfangen, sich gegen Änderungen zu wehren, von denen sie wissen, dass sie illegal sind", so das Fazit von Applebaum.
Quelle: dpa
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